Ist die Identitätspolitik ein Parasit?

Wir Weißen sind schuldig. So meinte jüngst ein Freund zu mir. Ich fand diese Äußerung merkwürdig. Ich habe eigentlich nichts verbrochen, wenn es nach dem Gesetz geht. Aber er meint vermutlich diese existenzielle Schuld, eine Form der Schuld, die man sich schon allein dadurch einfängt, dass man geboren wurde. Mir stellt sich allerdings die Frage: Ginge es anderen besser, wenn es mir schlechter ginge? Vermutlich nicht. Und dann wäre es auch interessant zu wissen, warum man sich nicht freuen darf, dass es einem besser geht als anderen? Soll man sich deswegen grämen? Sicher, es wäre schön, wenn die Welt perfekt wäre. Aber das es nicht so ist, macht mich nicht sonderlich betroffen. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein böser Mensch bin oder einfach immun.

Der Begriff Immunität beschäftigt mich übrigens schon länger. Genau wie der Begriff soziale Krankheit. Und ist das Schuldgefühl nicht wie eine Krankheit, die den Menschen befällt? Das würde auch erklären, warum diejenigen die von dieser großen Schuld reden, dieses Schuldgefühl ständig verbreiten wollen. Sie sind sozusagen die Schuld-Superspreader.

Wenn aber das Schuldgefühl eine Krankheit ist, dann ist der Krankheitserreger vermutlich schon lange in unserem System. Er muss nur aktiviert werden. Wie ist das zu verstehen? Ich stelle mir das so vor: Die Christen haben jahrhundertelang Schuld kultiviert. Doch der Glaube ging verloren. Obwohl diese Christen ohne Gott keine Schuld mehr fühlen sollten, so bleibt dieses überindividuelle Schuldgefühl, das nun eine andere Begründung braucht. Und da kommt einiges in Frage. Wenn es nicht der Kolonialismus ist, dann die Geschlechterungerechtigkeit oder vielleicht die ungleiche Verteilung von Schönheit.

Die Identitätspolitik ist so gesehen ein Dienstleister für eine postchristliche Gesellschaft, die vergessen hat, woher ihre Schuldgefühle ursprünglich kommen. Sie macht diese wieder anschlussfähig und erklärlich. Man könnte auch sagen: Die Identitätspolitik ist der Parasit einer Schuldkultur, indem sie die Schuldkultur nutzt, um sich einzunisten. Doch Parasiten geht es manchmal so: Sie töten den Wirt und müssen dann selber sterben. Daher sollte man es besser nicht übertreiben.

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Schwanengesang

Der Ausdruck Schwanengesang stammt aus der Mythologie. Schwäne würden kurz vor ihrem Tode noch einmal einen wunderschönen Gesang anstimmen und dann sterben. Wunderschön ist das Lied der westlichen Gesellschaft kurz vor ihrem Ende allerdings nicht. Dafür jedoch sehr laut die Klage, wie schlecht alles sei, nämlich rassistisch, frauenfeindlich und verflucht mit einem schändlichen historischen Erbe, wie man wieder in der FAZ lesen konnte. Zumindest die Niederlande scheinen auf Seite drei untröstlich wegen ihrer Vergangenheit zu sein. Aber sie sind da nicht alleine. Alles schlimm und verderbt und voller Schuld, wenn man es genauer betrachtet. Dabei waren wir noch vor kurzem so stolz auf die gesellschaftlichen Entwicklungen. Aber die Geschichte holt uns mal wieder ein, vor allem die Kolonialgeschichte, so wie ein Porsche den Trabi.  

Doch wozu dieses Getöne? Die Vorherrschaft der Weißen ist schon lange gebrochen. Die Chinesen geben den Ton an, auch in Afrika. Die Kolonien sind perdu. Und Rassismus mag es geben. Aber die Eliten – und auf die kommt es an – beglaubigen ihren verkrampften Antirassismus jeden Tag durch wohlfeile Worte. „Seht her, ich bin ein Antirassist!“, rufen Sie jedem zu, der es nicht hören möchte. Woher aber dann das Bedürfnis, sich und die Vergangenheit im denkbar schlechtesten Licht darzustellen und sich als geläutert zu geben?

Vielleicht möchte man auf der Seite der Sieger sein, auf der Seite derjenigen, denen die Zukunft gehört. Denn der alte weiße Mann, aber auch die alte weiße Frau werden es nicht sein. Schon heute möchte man fragen, wie es wohl kam, dass weiße Engländer, Franzosen oder auch Deutsche die Welt erobern konnten. Denn es waren wohl kaum dieselben, die vor Jahren oft auch brutal die Welt erobert haben. Heute ist man eher defensiv unterwegs. Es geht vermutlich nur noch darum, noch ein wenig die schwindende Substanz zu genießen und die Ängste vor der Zukunft auszublenden.

Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt, ist vielleicht das präventive Anbiedern an die vermeintlichen Sieger der Geschichte, den woken Intellektuellen. Und der macht das Überlebte gerne größer als es ist. Allerdings ist der Sieg über alte weiße Loser jetzt nicht sehr beeindruckend.

Und die Inkriminierten? Die schweigen zu den Fabelgeschichten vom antirassistischen Kampf in Deutschland. Unter Umständen kompensieren sie so ihren Bedeutungsverlust durch die Fantasie, man lebe tatsächlich in einem postkolonialen, rassistischen und frauenfeindlichen System und sei noch irgendwie Herr über irgendwas. Anders gesagt: Ist es nicht schmeichelhaft, wenn man für einen Teufel gehalten wird, wo man eigentlich nur noch in Angst vor dem lebt, was da kommt? Die Identitätspolitik macht uns das letzte Mal zu den Herren der Geschichte, die wir schon lange nicht mehr sind. So gesehen, ist die Identitätspolitik sehr schmeichelhaft. Auch für alte weiße Männer wie mich. Man fühlt sich irgendwie noch ernstgenommen.   

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Ist Transgender normal?

Ist Transgender normal?

Ist normal alles, was sich dafür hält? Wie hätte man noch vor 25 Jahren geantwortet? Vermutlich so:

Zum einen ist Normalität eine Frage der Zahl. Wenn 99,9 % der Wohnbevölkerung Männer und Frauen sind, dann ist das die Norm. Wenn man nicht dazu gehört, dann handelt es sich um eine Abweichung. So wie ja auch sechs Finger an der Hand eine Abweichung sind. Oder eben Transgender.

Dann ist da die Biologie. Sie lehrt, dass Sexualität – also die Tatsache, dass weibliche und männliche Zellen verschmelzen – evolutionäre Vorteile bietet. Sie ist also der Weg, den die Verbreitung der Art bei hochentwickelten Tieren beschreitet. Normal ist es daher, entweder eine weibliche oder männliche Keimzelle zu produzieren.

Zur Frage der Normalität gehört sicher auch ein kulturelles Erbe, in dem Männer und Frauen Platz hatten. Ihre Rolle war übrigens auch durch Religion gerechtfertigt. Denn wie sonst ist die Geschichte von Adam und Eva zu verstehen? Es geht darum zu erklären, warum es Männer und Frauen gibt und was sie so machen. Von Transsexuellen ist da nicht die Rede.

Schließlich gibt es noch ein untrügliches Zeichen von Normalität. Sie ist die Konvention, die nicht hinterfragt werden muss. So wird niemanden eine Frau fragen, wie es kommt, dass sie eine Frau sei. Allerdings tun sich viele Fragen auf, wenn Claudia plötzlich Claus heißt.  

Damit es keine Missverständnisse gibt. Natürlich haben Transgender-Personen ihren Platz in der Gesellschaft. Denn so wie der Begriff Normalität ohne den Begriff Abweichung keinen Sinn ergäbe, so wird das Konzept Mann und Frau erst richtig deutlich, wenn man sich mit Transsexuellen beschäftigt. Man versteht eben die selbstverständigen Dinge nur dann, wenn sie plötzlich nicht mehr selbstverständlich sind, wenn sie bei der Betrachtung der Abweichung erst in ihrer Bedeutung erkannt werden.

Doch die wirklich interessante Frage lautet: Wie wird nun aus Abweichung Normalität? Eine mögliche Variante: Wenn es viele Transsexuelle gibt, dann würde man der Norm etwas näher gekommen. Immerhin schreibt die Zeitschrift„Emma“ dazu: „Vor 30 Jahren gab es 3.000 Transsexuelle in Deutschland, heute sind es 24.000.“ Tendenz steigend, muss man hinzufügen. Wenn es weiter so läuft, dann sind in spätestens 1000 Jahren die Transsexuellen die Mehrheit. Und ja, Ideen haben die Eigenschaft, sich in Köpfen festzusetzen und sich zu Handlungen auszuwachsen, wie man sieht.

Eine andere Variante wäre, den Begriff Normalität aufzulösen und als Begriff untauglich zu machen. Das ist die postmoderne Idee von Machtgewinn, indem man Begriffe dekonstruiert. Auch da sind wir auf einem guten Weg.

Und dann kann man ja auch die Geschlechteridee grundsätzlich in Frage stellen. Denn wenn es über 70 Geschlechter gibt, dann sind Mann und Frau ja nur eine Variante von vielen.

Schließlich kann man noch die kulturellen und religiösen Konventionen hinterfragen. In Zeiten der ständigen Veränderungen zerbröseln sie in der Tat wie alter trockener Marmorkuchen. Auch da ist man schon sehr weit.

Wenn alles nichts hilft, dann hilft die Frage: Wer will schon normal sein? Normal zu sein, das ist einfach das Letzte. Insofern ist der Wunsch nach Unnormalität das neue Normal.

Bekanntermaßen gibt es keine Wahrheit. Es ist alles nur eine Frage von Medienarbeit, Erziehungspolitik und Macht. Wenn man hier ansetzt, dann kann man den Leuten auch vermitteln, dass sich die Erde um die Sonne dreht. In dem Sinne wäre normal, das, was als normal in der Gesellschaft durchsetzt wird. Transgender gehört wohl die Zukunft. Und je nachdem wie es passt, wird es uns als Normalität oder schöne Abweichung verkauft. Wir müssen es nur noch alle daran glauben.

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Von nützlichen und weniger nützlichen Geschichten

Narrative, das Wort ist in aller Munde. Doch was sind Narrative genau? Im Grunde Mega-Erzählungen, die Sinn stiften und eine Gesellschaft zusammenhalten. Solche Narrative wären die Aufklärung, der Nationalstaat, das Christentum und so weiter. Heutzutage werden die Geschichten gleichzeitig erzählt. Daher wird´s manchmal ein bisschen schwierig, die Erzählstränge auseinanderzuhalten.  

Eine angeblich neue Geschichte, die man nun häufiger hört und die ziemlich laut daherkommt, nennt sich Identitätspolitik. Das Script geht ungefähr so: Es gibt Gruppen, die werden unterdrückt. Und dann gibt es Gruppen, die unterdrücken. Aus der Gruppe kommt man nicht heraus. Und die Unterdrückung ist systematisch. Und wenn man Glück oder vielmehr Pech hat, dann gehört man gleichzeitig verschiedenen Opfergruppen an. Und weil ja – Achtung Strukturalismus – zum Opfer immer auch der der Täter gehört, braucht man einen Buhmann, der für alles verantwortlich ist. Hier kommt die Kunstfigur des alten weißen Mannes ins Spiel.

Was macht so eine langweilige Geschichte für viele so interessant? Aber viel wichtiger, was bringt diese Story an Erkenntnisgewinn? Bei der Aufklärung weiß man es. Sie war in vielerlei Hinsicht befreiend. Und führte sogar dazu, dass man am Ende über die Aufklärung selbst aufgeklärt wurde. Auch beim Nationalstaat ist heute klar, dass Demokratie und Sozialstaat ohne ihn nicht denkbar wären. Immerhin zwei nice things to have. Auch beim Christentum wollen wir jetzt mal einräumen, dass es seine guten Seiten hat und hatte. Immerhin hat das schlechte Gewissen, dass man im Christentum verbreitete, die Herrschenden zivilisiert. Der Mensch wurde sozusagen verfeinert.

Und was ist jetzt mit der Identitätspolitik? Leider ist die Mär ohne viel Mehrwert, wenn man sie unter den Gesichtspunkten liest, die normalerweise eine gute Geschichte ausmachen. Ist sie lehrreich? Eigentlich nicht. Denn das es Gruppen gibt, wussten wir schon. Ist sie konstruktiv? Auch nicht, denn sie sorgt für ständigen Ärger und viel Wut, und zwar in jeder Gruppe, weil man ja laut Identitätspolitik immer unterdrückt wird, und zwar selbst dann, wenn man es gar nicht merkt. Wäre sie dann wenigstens originell? Kaum. Denn dass der Einzelne in der Gruppe aufgeht und seine Identität aus der Gruppe bezieht, dies ist keine Novelle. Ich vermute so etwas erzählte man sich schon vor 10.000 Jahren am Lagerfeuer.

Allerdings ist die Geschichte dennoch populär. Immerhin gibt es Helden und Bösewichte, ganz so wie bei jedem guten Hollywood Film. Doch leider ist sie so verlogen und kitschig wie Vom Winde verweht. Und sie entkommt dem Bestätigungsfehler nicht. Der besteht darin, dass man seine Informationen so auswählt, dass man seine Meinung immer bestätigt sieht. Schlimmer noch: Dem Identitätspolitiker ist alles Identitätspolitik. Das nennt man auch totalitäres Denken.

Sollte man sich da nicht lieber etwas erzählen, das die Menschen zusammenbringt? Nun, dass sich Geschichten durchsetzen, das hat nicht immer mit ihrem Nutzen zu schaffen. Denn in der Hinsicht hat die Identitätspolitik nicht viel zu bieten. Oder sagen wir: Nur etwas für interessierte Kreise. Aber das heißt nicht, dass sich die Geschichte verbreitet wie das Corona-Virus. Denn unnütze und gefährliche Narrative waren schon öfter sehr populär, zum Beispiel Antisemitismus, Verschwörungsmythen oder Hexenglauben. Solange man nicht weiß, warum die Menschen überhaupt dem Irrglauben verfallen, und solange man kein Mittel gegen einseitiges Denken hat, solange werden solche Geschichten geglaubt. Insofern hat die Identitätspolitik noch eine gewisse Zukunft vor sich.

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Wessen Spiel wird gespielt?

Beim Mensch-ärgere-dich der Identitätspolitik sieht ungefähr so aus: Es geht immer um Macht, die gehört den Weißen. Das muss sich ändern. Die Macht muss nun den Schwarzen oder Frauen gehören, wobei nicht klar ist, wer überhaupt eine Frau oder ein Schwarzer ist. Immerhin ist ja alles eine Frage der sozialen Konstruktion. Das macht das Spiel auch eher undurchschaubar. Die Spielregeln lauten im Übrigen: Wer das anerkennt, darf mitspielen. Wer dem widerspricht, der muss sich anhören, dass er als privilegierter Weißer vom Brett gefegt gehört. Und wenn man nach Gründen für diese kruden Spieltheorie fragt, dann heißt es oft, es gebe Regeln, die seien nur für Weiße gemacht. Zum Beispiel die Mathematik. Damit sei jetzt Schluss.

Das ist so offensichtlich Blödsinn, dass man sich fragt, warum erkennen so viele diese Prämissen an. Und warum wehren sich so wenige? Sicher hat es viel mit einem diffusen Schuldgefühl zu tun. Schuldig fühlen sich Leute, die tatsächlich meinen, es läge in ihrer Verantwortung, dass die Welt so ist, wie sie ist. Wenn man so will, ist das eine Form von Hochmut-Falle. Denn die Anschuldigung ist ja auch irgendwie schmeichelhaft. Doch in Wahrheit haben wir leider wenig Einfluss auf die Dinge.

Und dann geht man ja mit sogenannten Opfergruppen heute ganz anders um, weil man es besser machen möchte. Das ist auch so eine Falle. Während die Schwarzen früher nichts richtig machen konnten, können sie heute nichts falsch machen. Denn was sie tun, tun sie im Gegensatz zu den Weißen, weil sie es tun müssen. Sie sind für nichts verantwortlich. Und das ist dann die Inverse-Rassismus-Falle.

Und schließlich ist es so, dass man oft demjenigen glaubt, der eine Geschichte immer wieder und mit großer Überzeugung vorträgt. Da man die Identitätspolitik in den Unis, den Medien und oft im privaten Bereich immer wieder serviert bekommt, glaubt man irgendwann, dass das stimmen müsse. Das nennt man im Übrigen Propaganda.

Läuft es also bestens für die Schwarzen und Frauen, nun wo sich ihre traurige Geschichte in den Köpfen festgesetzt hat? Wahrscheinlich nicht. Wenn man dieses Spiel nämlich zu Ende spielt, dann können die sogenannten Opfer nicht gewinnen, und zwar nicht, weil sie immer Opfer sind, sondern weil sie mit dieser These ja niemals rauskommen aus dem Feld, das links oben im Spielfeld liegt. Da kann man noch so oft würfeln.

Denn ein Opfer-Abo macht ja was mit einem. Sobald man als Quotenfrau irgendwo ankommt, dann bleibt man doch eine Quotenfrau. Ein Schwarzer, dem man es leichter machen möchte, wird unter seinem Möglichkeiten bleiben. Doch die weißen und gelben Jungs müssen sich nun doppelt anstrengen, wenn sie was werden wollen. Verachtete mussten immer schon härter kämpfen, wenn sie irgendwo hinwollten. Wenn das Spiel auf diese Art und Weise gespielt wird, wird sich nur scheinbar etwas ändern. Aber vielleicht ist das ja auch der Sinn der Sache.

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Kartoffelsalat

Ein Geusenwort, das ist ein Wort, das beleidigen soll, aber in eine Ehrenbezeichnung verwandelt worden ist. So geschehen in Holland vor 400 Jahren. Kann das auch in Deutschland gelingen? Wollen wir es einmal mit Poesie versuchen.

Ich bin Kartoffel

Du nennst mich nach der edlen Knolle, die nahrhaft ist und anspruchslos.

Sie wächst auf heimisch-deutscher Scholle, gedeiht in Mutter Erde Schoß.

Im Rohen bitte nicht verzehren, gekocht, ein wahres Wunderstück.

Gezüchtet, um uns zu ernähren, auf jedem Teller wahres Glück.

Auch im Salat nicht zu verachten, gern lobt man den Kartoffelbrei

Was Köche sich da je erdachten, das ist nun wahre Dichterei

Wie könnt ich also bitter klagen, da die Kartoffel uns so nährt?

Im Gegenteil, so muss ich sagen: dein Wort, es hat mich hochgeehrt.

Christian Kümpel

Aufrüsten und Nachrüsten

Schwarzbrot, Schwarzwald, Schwarzgeld oder auch Schwarzhandel; sind das alles Begriffe, die bald abgeschafft werden? Vermutlich. Wird das was ändern? Wohl kaum. Zumindest solange man hell und dunkel wahrnimmt. Man wird andere Wörter finden, die den Sachverhalt ausdrücken. Das gilt auch im Bereich der Geisteskrankheiten. Wer weiß noch, dass der Begriff „behindert“ eingeführt wurde, um einen Begriff wie „debil“ zu vermeiden, auch dies schon ein beschönigender Begriff, um nicht „Schwachkopf“ zu sagen. Schon bald wird man aber auch nicht „behindert“ sagen können, ohne dass viele daran Anstoß nehmen. Dann wird vermutlich das Wort „geistig eingeschränkt“ ein paar Jahre als politisch korrekt bezeichnet werden. Man könnte, wenn man weit in die Zukunft blickt, irgendwann auch solche Termini wie „mental andersartig“ oder „geistig alternativ“ benutzen. Ändern tut das nichts. Warum aber wird dann ständig an Begriffen herumgedoktert?

Ein Grund- und natürlich nicht der einzige – ist der Versuch, Dinge zu verschleiern. „Entlassen“, so etwas macht man heute nicht mehr. Vielmehr setzt man Mitarbeiter frei. Und Freiheit, das ist doch was Schönes. Sprache soll also nicht nur zeigen, sondern auch verbergen und entlasten.  Martin Walser meint jedoch: “Auch wer Sprache zum Verbergen benutzen will, verrät, was er verbergen will.” Was verborgen werden soll, das sind die Dinge des Lebens, mit denen wir nicht gerne umgehen wollen. Und wie es aussieht, fällt es uns schwer zu Kenntnis zu nehmen, dass manche Menschen in der Tat einen Kopf haben, der nicht so gut arbeitet, als schwach ist. Dies sprachlich zu verschleiern, gelingt nicht gut.

Wenn wir um die Vergeblichkeit der Sprachänderungen wissen, wird sich dann etwas ändern? Sicher nicht. Das liegt auch daran, dass sich Begriffe Münzen gleich abnutzen. Münzen gehen durch viele Hände und verlieren ihre Prägung. Begriffe, die ständig benutzt werden, sind öde. Das gilt auch für Beleidigungen. Und so ist Idiot ein Wort, das kaum noch jemand benutzt. Es ist schwach geworden. Behindert ist viel “besser”. Da gilt es, wie unter feindlichen Mächten ständig auf- und nachzurüsten, damit das Wort originell und wirksam bleibt. Und die Wortfindungsmaschine des politisch korrekten Wortschatzes wird deshalb zur Goldmine für alle, die gerne mal austeilen und nach neuen Wörtern suchen. Roma, Migrant oder auch POC, sind das die neuen Beleidigungen? Es sind in jedem Fall Wörter, die gut gemeint sind, aber in Zukunft in bestimmter Absicht verwendet werden dürften, und zwar ohne, dass man sie als beleidigend identifizieren kann. Denn bis auf Weiteres gelten sie als korrekt. Und so arbeiten die “Guten” den “Bösen” in die Hände. Aber auch das war wohl immer schon so.

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Warum man mit dem Gendern aufhören sollte

Man kennt ihn eher als Verleger von Musikbüchern. Doch nun hat sich Fabian Payr dem Thema Gendern gewidmet. In dem Buch „Von Menschen und Mensch*innen“ erklärt er, warum man die Finger davon lassen sollte. Die Argumente in dem Werk sind Legion. Doch ein paar Fehlannahmen der Genderisten sollen dennoch angesprochen werden. Wenn man von Lehrern spricht, dann meinte man Frauen immer mit. Sie gingen sozusagen in dem Begriff auf, während Männer im schon im Begriff enthalten sind. Diese Behauptung ist falsch.

Richtig ist vielmehr, dass umgekehrt Männer in der Grammatik mitgemeint werden. So ist der Lehrer ein Mann oder eine Frau. Aber eine Lehrerin ist immer eine Frau. Es ist auch nicht wahr, dass man bei dem Wort Lehrer nur an Männer denkt. „Ich gehe zum Arzt!“. Stimmt es, dass jeder davon ausgeht, der Arzt, zum welchem man geht, wäre ein Mann? Natürlich nicht! Hier geht es nur um die Information, dass man zu einer Person geht, die einem ärztlicher Hilfe leisten kann. Das Geschlecht spielt keine Rolle. Das liegt daran, dass Lehrer, Hörer oder Denker unmarkierte Begriffe sind, die erst durch Endungen markiert werden. Wenn man also zu einem Mann möchte, dann muss man sagen: Ich gehe zu einem männlichen Arzt.

Ein anderer Mythos: Eine gendergerechte Sprache änderte die gesellschaftlichen Verhältnisse. Im Türkischen gibt es keine Genera, als keine grammatischen Geschlechter. Spiegelt das das Geschlechterverhältnis in der Türkei wider? Was man so hört, eher nicht. Würde es im Übrigen etwas ändern, wenn man arme Leute als reich bezeichnete? Anscheinend handelt es sich bei Gendern um Sprachmagie. Und die ist so wirksam wie jede Zauberei. Schließlich wird behauptet, es mache keinen Unterschied, ob man Studierender schreibt oder Student. Doch was ist mit ehemaligen Studierenden?  Man kann nicht gerade studieren und damit aufgehört haben. Es gibt auch keinen gekündigten Mietenden. Denn ohne Wohnung ist man vielleicht ein gekündigter Mieter. Aber das Mieten ist eben vorbei. Und überhaupt: Ein Trinkender ist eben noch lange kein Trinker.

Wer sich im Kulturkampf nach Argumenten sucht, um dort zu bestehen, der ist mit dem Werk bestens bedient, übrigens auch wenn man eher links verortet ist. Denn wer gendert sorgt dafür, dass Migranten und bildungsschwache Personen, die es schon schwer genug haben, die Schriftsprache zu verstehen, es noch schwerer haben und die Kernaussagen eines Satzes nicht mehr verstehen. Denn wie wäre folgender Satz ohne Sicherheit in der Sprache zu entziffern? „Ein Hausarzt bzw. eine Hausärztin ist ein(e) niedergelassene(r) freiberufliche(r) Arzt oder Ärztin, die oder der für den Patienten oder die Patientinnen meist die erste Anlaufstelle ist.

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Identitätspolitik hat keine Zukunft

Identitätspolitik, das ist die Politik, die nicht mehr den einzelnen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, sondern die Gruppe. Bei den Gruppen wird unterschieden zwischen Opfergruppen und Tätergruppen. So sind Frauen, Schwarze und Homosexuelle Menschen, die zu Opfergruppen gehören. Weiße Männer sind Täter. Viel ist dazu geschrieben worden, dass eine schwarze lesbische Millionärin, die an einer guten Uni studiert hat, kein Opfer sein kann. Dennoch lässt man sich das gefallen. Denn mit dem Opferstatus kommen Privilegien. Man bekommt im Idealfall schneller einen Job, mehr Sympathie, mehr Aufmerksamkeit der Medien und vor allem Respekt. Da ist es naheliegend, sich zum Opfer erklären zu lassen.

Während man früher meinte: Lerne leiden, ohne zu klagen, heißt es heute lerne leiden und laut darüber zu klagen. Das hat Folgen. Die Wehleidigkeit wird weiter zunehmen. Denn man kriegt schnell spitz, dass für Opfer einfach mehr drin ist. Das nennt man Rationalitätsfalle. Für den einzelnen ist es attraktiv, sich zum Opfer zu machen. Doch wenn alle Opfer sind, dann entwertet das den Opferstatus. Schlimmer noch, das Wort Opfer erlebt eine semantische Verschiebung. Opfergruppe bedeutet dann eher Interessengruppe oder Lobbygruppe.

Weil man die nicht unbegrenzte Ressource des Opferseins nicht beliebig vermehren kann, gilt es irgendwann, anderen den Status abzuerkennen. Am Ende wird man streiten, welcher Teint noch ausreicht, um als Opfer zu gelten und um als Verfolgter des „real existierenden Rassismus“ zu gelten. Ich empfehle daher, schon mal das Popcorn rauszuholen. Denn schon sehr bald wird es sehr unterhaltsam für alle, die „Täter“ sind.

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Hilft Humor?

„Feministinnen beim Frühstück. „Kannst du mir bitte die Salzstreuerin reichen?“ Darauf die andere: „Nein, ich habe eine Muskelkatze.“ Wenn es eins gibt, dass Fanatiker, Missionare und andere Erfüllte nicht vertragen können, dann ist es Humor. Warum ist das so? Weil er ihre Ordnung zerbricht! Fanatiker müssen aber pedantisch darauf achten, dass ihre Glaubenssätze nicht angerührt werden. Der Humor löst sie geradezu auf. Darum regieren sie mit Wut auf Humor.   

Und so ist es auch ein möglicher Hinweis, dass man es mit Fanatikern zu tun hat, wenn der andere keinen Humor verträgt. Das war so bei den Nazis, bei den Kommunisten, bei den religiösen Sektierern und nicht anders ist es bei den Identitätspolitikern, die es nicht ertragen, wenn man sie nicht ernst nimmt. Aber ein noch untrüglicheres Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt: Man macht sich nicht über sich selbst lustig und kann nicht über sich selbst lachen.

Und so ist es die größte Schwäche der Identitätspolitik, dass sie sich zu ernst nimmt. Oder haben sie schon mal diese Leute als humorvoll erlebt? Wahre Größe geht nämlich mit humorvollem Umgang mit sich selbst einher, weil sie eben keine Schwäche, sondern Stärke ist. Und das gilt auch für uns alten weißen Männer. Souverän ist, wer über sich lachen kann: Ein Mann sitzt in einem rappelvollen Flugzeug. Nur der Platz neben ihm ist noch frei. Da kommt durch den Gang eine wunderschöne Frau mit tollen Kurven und setzt sich neben ihn. Der Mann kann es kaum noch aushalten. Mann: “Entschuldigung, und warum fliegen sie nach Berlin?” Sie: “Ich fliege zum Sex-Kongress. Ich werde dort einen Vortrag halten und mit einigen Vorurteilen aufräumen. Viele Leute glauben zum Beispiel, die Schwarzen seien besonders prächtig ausgestattet, dabei sind es eher die amerikanischen Ureinwohner, bei denen dies so ist. Und viele glauben, Franzosen seien die besten Liebhaber. Dabei bereiten die Griechen ihren Frauen den meisten Spaß am Sex … Aber ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle, ich kenne ja nicht einmal Ihren Namen.” Der Mann streckt die Hand aus: “Gestatten, Winnetou, Winnetou Papadopoulos!”

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