Wokeismus – ein antisemitischer Kult

In dieser Woche erschienen zwei bedeutende Texte über woken Antisemitismus:

Am 28.12.2023 erschien in der NZZ ein Interview von Benedict Neff mit dem französische Philosophen Alain Finkielkraut und am gleichen Tag auf der “Achse des Guten” der Artikel “Linker Kult: Früher Arbeiter, heute Araber” von dem promovierten Politikwissenschaftler Alexander Meschnig.


Ursprung und historische Beispiele

Meschnig sieht den Ursprung des linken Antisemitismus in der “Besessenheit der Linken vom Aufstand der Unterdrückten”. Als historisches Beispiel nennt er den missglückten Bombenanschlag der linksextremen Westberliner “Tupamaros” auf das Jüdische Gemeindehaus.
Er spricht von einer Kontinuität linken Antisemitismus, verweist auf die RAF und deren antiisraelische Aktionen und beschreibt eine “Schuldumkehr”: Durch die Gleichsetzung israelischer Politik mit dem nationalsozialistischen Deutschland entlaste sich die deutsche Linke ihrer historischen Verantwortung. Israel wurde – neben den USA – zum Universalschuldigen der linken Antiimperialisten.

Zuspitzung durch Wokeismus

Finkielkraut diagnostiziert eine dramatische Verschärfung dieser Tendenz im Zeitalter des Wokeismus, den er als “Installation des Hasses auf den Westen im Herzen des Westens” bezeichnet. Für “woke” Aktivisten sei Israel “das Zentrum des Bösen”. Nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 habe sich Antisemitismus als “höchstes Stadium des Wokeismus” gezeigt.

Beide Autoren betonen den starken Einfluss der US-Universitäten auf diese Entwicklung. Für viele Juden, die sich traditionell mit progressiven Kräften verbunden fühlten, markierten die Reaktionen nach dem 7. Oktober einen Wendepunkt. Das weitgehende Schweigen progressiver Gruppen habe zahlreiche jüdische Linke fassungslos gemacht.

Postkoloniale Ideologie

Die Solidarität der Linken mit Palästina und teilweise sogar mit palästinensischem Terror führen Finkielkraut und Meschnig vor allem auf die “Postcolonial Studies” zurück. Diese Ideologie deute Juden als Kolonialherren und Israel als “weißes Kolonialprojekt”. Palästinensischer Terror werde folglich als antikolonialer Befreiungskampf verklärt.

Globale Ausprägungen

Diese Entwicklung sei im gesamten Westen sichtbar:

  • In Frankreich spricht man vom “Islamo-Gauchisme”, einer Allianz zwischen linken Gruppen und Islamisten.
  • In den USA solidarisiert sich ein großer Teil des linken Flügels der Demokraten – von Alexandria Ocasio-Cortez’ “Squad” bis weit darüber hinaus – mit dem palästinensischen “Widerstand”, während viele jüdische Linke konsterniert zusehen.
  • Die NZZ berichtete am 27. November 2023, dass der Betreiber des Twitter-Accounts von Black Lives Matter Chicago am 10. Oktober ein Bild eines Fallschirmspringers mit dem Slogan “I stand with Palestine” postete – nur Tage nachdem Hamas-Terroristen auch per Fallschirm nach Israel eingedrungen waren.
  • In Europa sorgten die pro-palästinensischen Äußerungen von Fridays for Future und ihrer Ikone Greta Thunberg für politische Kontroversen.

Konsequenzen

Finkielkraut und Meschnig sehen in dieser Entwicklung eine Gefahr für die westliche Zivilisation. Antirassismus sei zur dominanten ideologischen Kraft geworden, während der Kommunismus als revolutionäres Projekt ausgedient habe. Das neue “revolutionäre Subjekt” sei, so ihre Analyse, der Islam. Selbst die Revolution im Iran werde in westlichen Diskursen als Teil einer globalen Erzählung von Unterdrückung und Erhebung gefeiert.

“Wokeismus ist die Installation des Hasses auf den Westen im Herzen des Westens. Und Israel ist in dieser Perspektive das Zentrum, das alle Verbrechen, alle Schandtaten, alle Greuel des Westens bündelt.”
— Alain Finkielkraut

Fazit:
Finkielkraut und Meschnig verdeutlichen die historische Kontinuität des linken Antisemitismus und seine aktuelle Zuspitzung durch den Wokeismus. Die postkoloniale Darstellung Israels als “weißes Kolonialprojekt” und die Überhöhung des Antirassismus könnten, so ihre Warnung, langfristig zur Selbstauflösung westlicher Zivilisation führen.

Reinhard Jarka