Gehört LGBTQ die Zukunft?

Der Anteil der sich als Schwule, Lesben, Bi- oder Transsexuelle bekennenden Erwachsenen in den USA erreicht jedes Jahr neue Rekorde. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup ermittelt, dass nun über sieben Prozent der erwachsenen Personen sich selbst als lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell bezeichnen. Das wäre eine Verdoppelung im Vergleich zu 2012. Sollte die Entwicklung so weiter gehen, dann kann man davon ausgehen, dass im Jahre 2030 bereits über zehn Prozent der Einwohner schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell sind. Interessantes Detail: Besonders junge Menschen werden immer diverser. Doch stimmt das wirklich?

Man sollte diese Informationen zumindest hinterfragen. Denn bemerkenswert daran ist, dass sich zunächst einmal die meisten als bisexuell outen, nämlich fast 60 Prozent. Bisexualität muss man nicht groß beweisen. Wenn eine Frau mit einem Mann zusammen ist, kann sie ja behaupten, dass sie auch Frauen attraktiv findet, ohne dass das nun Folgen für ihr Liebesleben hätte. Manche glauben, dass wäre dann schon so etwas wie Bisexualität.

Und dann gibt es ja auch den In-Faktor. Weil LGBTQ eben nicht, wie einig behaupten, stigmatisiert wird, sondern unter jungen Leuten als cool gilt, wird es umso attraktiver sich nach außen als schwul darzustellen. Man wird sozusagen gleich viel interessanter, wenn man nicht heterosexuell ist. Hierzu passt auch, dass Distinktions- und Individualitätsgewinne immer schon durch Bekenntnis zur sexuellen Präferenz herzustellen waren. Erinnert sei hier nur an Don Juan oder Mae West. Heute ist es nur umgekehrt.

Nicht verschweigen darf man natürlich auch, dass in Umfragen häufig gelogen wird. Schon der Spiegel hat festgestellt: „Jüngere Menschen prahlen mit übertriebenem Konsum, ältere dagegen versuchen, ihr Trinkverhalten zu verharmlosen.“ Ähnlich dürfte es sich auch hier verhalten.

Zu bedenken ist auch Folgendes: Wenn Homosexualität auch nicht genetisch festgelegt ist, so kann man sich seine sexuelle Präferenz nicht so einfach aussuchen. Anders gesagt: Es gibt Faktoren, die diese Präferenz bestimmen und diese Faktoren haben sich vermutlich seit dem Jahre 1980 nicht geändert. Daher wird es kaum mehr Homosexuelle geben als vor 40 Jahren. Man kann also fast darauf wetten, dass es sich bei dem Anstieg um ein soziales Phänomen handelt. Das erinnert deshalb an eine Modekrankheit im 19. Jahrhundert.

Damals war die Diagnose Hysterie bei Frauen weit verbreitet, während man heute davon gar nichts mehr hört. Zu der Zeit haben Ärzte weibliche Beschwerden wie Nervosität, Schlafstörungen oder Atemnot darauf zurückgeführt, dass die Gebärmutter (Hystéra) im Körper der Patientin aufsteigen und letztlich zur Erstickung führen würde. Daraufhin, so erklärt der Medizinhistoriker Michael Stolberg, hätten viele Frauen sich mit dieser Diagnose identifiziert und vermeintlich am eigenen Körper gespürt, „wie das Organ ihnen den Hals hinaufwandert“. Anders gesagt: Wenn man nur lange genug in sich hineinhört, wird man den Schwulen in sich unfehlbar entdecken. Verbuchen wir daher das Ganze als Modeerscheinung. Von der Mode sagte Freifrau von Ebner-Eschenbach: Sobald eine Mode allgemein geworden ist, hat sie sich überlebt. So wie es aussieht, dürften wir den Punkt bald erreicht haben.

Christian Kümpel

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Was ist der nächste Hype?

Jede Gesellschaft braucht eine Erzählung. Am besten aber gleich ein paar. Ganz so, wie ja auch jeder Mensch eine Kleidung trägt, die zu ihm und den Umständen passt. Wenn man zum Beispiel in den Kuhstall geht, dann sind Gummistiefel und dreckige Jeans angemessen. Ein Smoking passte eher nicht ins Bild. Unsere Gesellschaft – wäre sie denn ein Mensch – hat einige Kleider anprobiert. Die hängen da immer noch. Da war die Fortschrittserzählung der ewigen Demokratisierung und Emanzipation. Das war der letzte Chic in den 70igern. Dann ging es auch um das sogenannte Lernen aus der Vergangenheit, um Hitler und das Dritte Reich produktiv machen. Das scheint schon fast eine zeitlose Mode in Deutschland zu sein. Ebenfalls beliebt: Befriedung der Gesellschaft durch Konsum. Das Stück sieht heute eher altbacken aus. Die neuste Mode lautet jedoch: Höherwertigkeit durch Verzicht. Das ist sozusagen teurer italienischer Stoff. Und dann ist da natürlich die Identitätspolitik. Steht der postmodernen Gesellschaft ausgezeichnet. Die Gesellschaft ist dabei aus Opfern und Tätern gestrickt, wobei es kurioserweise erstrebenswert wäre, sich immer mit den Opfern zu identifizieren. Darüber hätte ein Nietzsche noch gelacht. Ihm war immer schon klar, dass die Opfer immer auch Herren sein wollen und einfache Wahrheiten abgründig sind. Allerdings geht die Zeit auch über diese Erscheinung bald hinweg. Dann sind wir in der postpostmodernen Phase. Denn Mode kennt kein Anfang und kein Ende, sondern nur ein ewiges Drehen um sich selbst.

Wenn nun aber, wie bei der Mode, Erzählungen wechseln, dann wird es sicher auch bald ein neues Narrativ geben, um die postpostmoderne Zeit einzuläuten. Und man sieht tatsächlich: Es sieht es so aus, als ob viele dieses Opfergedöns langsam nicht mehr hören können oder wollen. Seien wir ehrlich: Es ist auch anstrengend, immer alles mit der Brille der Identitätspolitik zu sehen. Immerhin erkennt man durch sie nichts, was nicht schon in der Brille selbst begründet wäre. So wie eben dem Kommunisten alles Klassenkampf ist, ist dem Identitätskämpfer alles Identitätskrampf. Öde! Und das Männer, die sich Frauenkleider anziehen und sich damit überall zeigen, nicht mehr belächelt, sondern gefürchtet werden, hat auch keine Zukunft. Das hört auf, sobald der akademische Mittelbau sich sichere Posten verschafft hat.

Ich weiß natürlich nicht, was der nächste Crazy Shit sein wird. Ich vermute aber, die nächste Phase wird geprägt sein, von einer Art Erwachen. Moral bekommt dann wieder den richtigen Platz im Kleiderschrank zugewiesen. Der ist nicht prominent, wie das jetzt der Fall ist. Denn auch diese Mode des ständigen Zeigens der eigenen moralischen Höherwertigkeit, ist irgendwann out. Bald findet man ihn nur noch in Second-Hand-Läden. Dort wird verramscht, was gestern noch als up-to-date galt. Mein persönlicher Favorit für die nächste Saison ist in der Tat: Sarkasmus. Sarkasmus und kühle Töne kleiden auch sehr gut. Wenn man es auch mit anderen Farben statt dem ewigen schwarz-weiß kombiniert, dann könnte das sogar dem breiten Publikum gefallen.

Christian Kümpel


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Ist Transgender normal?

Ist Transgender normal?

Ist normal alles, was sich dafür hält? Wie hätte man noch vor 25 Jahren geantwortet? Vermutlich so:

Zum einen ist Normalität eine Frage der Zahl. Wenn 99,9 % der Wohnbevölkerung Männer und Frauen sind, dann ist das die Norm. Wenn man nicht dazu gehört, dann handelt es sich um eine Abweichung. So wie ja auch sechs Finger an der Hand eine Abweichung sind. Oder eben Transgender.

Dann ist da die Biologie. Sie lehrt, dass Sexualität – also die Tatsache, dass weibliche und männliche Zellen verschmelzen – evolutionäre Vorteile bietet. Sie ist also der Weg, den die Verbreitung der Art bei hochentwickelten Tieren beschreitet. Normal ist es daher, entweder eine weibliche oder männliche Keimzelle zu produzieren.

Zur Frage der Normalität gehört sicher auch ein kulturelles Erbe, in dem Männer und Frauen Platz hatten. Ihre Rolle war übrigens auch durch Religion gerechtfertigt. Denn wie sonst ist die Geschichte von Adam und Eva zu verstehen? Es geht darum zu erklären, warum es Männer und Frauen gibt und was sie so machen. Von Transsexuellen ist da nicht die Rede.

Schließlich gibt es noch ein untrügliches Zeichen von Normalität. Sie ist die Konvention, die nicht hinterfragt werden muss. So wird niemanden eine Frau fragen, wie es kommt, dass sie eine Frau sei. Allerdings tun sich viele Fragen auf, wenn Claudia plötzlich Claus heißt.  

Damit es keine Missverständnisse gibt. Natürlich haben Transgender-Personen ihren Platz in der Gesellschaft. Denn so wie der Begriff Normalität ohne den Begriff Abweichung keinen Sinn ergäbe, so wird das Konzept Mann und Frau erst richtig deutlich, wenn man sich mit Transsexuellen beschäftigt. Man versteht eben die selbstverständigen Dinge nur dann, wenn sie plötzlich nicht mehr selbstverständlich sind, wenn sie bei der Betrachtung der Abweichung erst in ihrer Bedeutung erkannt werden.

Doch die wirklich interessante Frage lautet: Wie wird nun aus Abweichung Normalität? Eine mögliche Variante: Wenn es viele Transsexuelle gibt, dann würde man der Norm etwas näher gekommen. Immerhin schreibt die Zeitschrift„Emma“ dazu: „Vor 30 Jahren gab es 3.000 Transsexuelle in Deutschland, heute sind es 24.000.“ Tendenz steigend, muss man hinzufügen. Wenn es weiter so läuft, dann sind in spätestens 1000 Jahren die Transsexuellen die Mehrheit. Und ja, Ideen haben die Eigenschaft, sich in Köpfen festzusetzen und sich zu Handlungen auszuwachsen, wie man sieht.

Eine andere Variante wäre, den Begriff Normalität aufzulösen und als Begriff untauglich zu machen. Das ist die postmoderne Idee von Machtgewinn, indem man Begriffe dekonstruiert. Auch da sind wir auf einem guten Weg.

Und dann kann man ja auch die Geschlechteridee grundsätzlich in Frage stellen. Denn wenn es über 70 Geschlechter gibt, dann sind Mann und Frau ja nur eine Variante von vielen.

Schließlich kann man noch die kulturellen und religiösen Konventionen hinterfragen. In Zeiten der ständigen Veränderungen zerbröseln sie in der Tat wie alter trockener Marmorkuchen. Auch da ist man schon sehr weit.

Wenn alles nichts hilft, dann hilft die Frage: Wer will schon normal sein? Normal zu sein, das ist einfach das Letzte. Insofern ist der Wunsch nach Unnormalität das neue Normal.

Bekanntermaßen gibt es keine Wahrheit. Es ist alles nur eine Frage von Medienarbeit, Erziehungspolitik und Macht. Wenn man hier ansetzt, dann kann man den Leuten auch vermitteln, dass sich die Erde um die Sonne dreht. In dem Sinne wäre normal, das, was als normal in der Gesellschaft durchsetzt wird. Transgender gehört wohl die Zukunft. Und je nachdem wie es passt, wird es uns als Normalität oder schöne Abweichung verkauft. Wir müssen es nur noch alle daran glauben.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay