Die konservative Bewegung steht vor der Spaltung

Die Frage ist doch, wo man als Konservativer die Kraft zum Weiterkämpfen gegen eine neue woke Ersatzreligion namens Identitätspolitik hernehmen soll, wenn sich in den eigenen Reihen rechtsesoterische Verschwörungsreligionen wie der eurasische Putinismus, den Alexander Dugin lehrt wie eine Seuche ausbreitet.

Wenn wir das Abendland, den freien Westen gegen die äusseren Feinde des Islamismus und totalitäre Großmächte wie Russland und China verteidigen wollen, müssen wir uns zunächst auf die Werte dieses Freien Westens zurückbesinnen und diese gegen die inneren Feinde von links UND von rechts verteidigen.

Die konservative Bewegung steht vor einer Spaltung, die sich nicht verhindern lassen wird.

Freiheit

Freiheit ist ein sehr komplexes Thema. Je näher man Freiheit betrachtet, desto mehr Formen tauchen auf. Da gibt es die positive Freiheit. Darunter versteht man, dass man Möglichkeiten hat, Freiheitsrechte auszuüben. Wer keinen Zugang zu Medien hat, der ist eben nicht ganz frei. Dann gibt es die negative Freiheit. Wer frei von inneren und äußeren Zwängen ist, der kann sich glücklich schätzen. Doch wer unter Ängsten leidet, der ist eben nicht frei. Natürlich kann man noch weitere Freiheitsformen finden. Zum Beispiel Vertragsfreiheit. Hier hat sich zumindest in den USA die Meinung durchgesetzt, diese Freiheit muss eingeschränkt werden. Denn ein Bäcker muss dort auch einem schwulen Hochzeitspaar eine Torte backen, selbst wenn dies seinen religiösen Vorstellungen widerspricht. Freiheit stößt auf Widerstand, besonders wenn andere Anerkennung einfordern. Doch das nur nebenbei.

Eine neue Freiheitsform scheint nun eine weitere Dimension zu erreichen. Ich spreche von der subjektiven Freiheit. Was ist darunter zu verstehen? Subjektive Freiheit meint, dass man sein kann, wer oder was man will, ohne dass man deshalb auf objektive Umstände hingewiesen werden dürfte. Jedermann kann so selbst darüber bestimmen, welches Geschlecht, welches Alter oder welche Hautfarbe er hat. Wer das nicht glaubt, der sei an Markus Ganserer erinnert. Er ist ein Mann, der von sich behauptet, eine Frau zu sein. Widerspruch kommt da nur noch von wenigen und wird mit Empörung belegt.

Leonardo da Vinci meinte einst: Wer nicht kann, was er will, muss das wollen, was er kann. Anders gesagt: Wer nicht fliegen kann, der ist so frei zu gehen. Er ist aber nicht so frei zu fliegen. Doch das war gestern. Der Freiheitsbegriff wird jetzt ins Subjekt gelegt, und zwar absolut. Das Problem dabei ist, dass man nun kaum noch zwischen Freiheit und Wahn unterscheiden kann.

Wie meinte der Psychologe Christian Scharfetter: „Wahn ist eine nur persönlich gültige, starre Überzeugung von der eigenen Lebenswirklichkeit, vor der Unterscheidung zwischen der „inneren“ Eigenwelt und „äußeren“ Umwelt. Wahn ist für den Kranken evidente Wirklichkeit. Der Wahn wird als gewiss, keines Beweises, keiner Begründung bedürftig erfahren. Wahn ist ein Wissen, kein vertrauendes oder im Zweifel dennoch wagendes Glauben. Die bisherige Erfahrung und zwingende Gegenargumente erschüttern die Wahngewissheit nicht. Zweifel wird nicht zugelassen. Eine Änderung des Standpunkts, eine Relativierung der Überzeugung ist nicht möglich.“ Und, so möchte ich ergänzen, der Wahn ist ansteckend, wenn die Wahnvorstellung von anderen zum Maßstab für die Wirklichkeit gemacht wird. Der “Wahnsinnige” bestimmt so für die Umwelt, was als wahr zu gelten hat.

Reaktionäre des 19. Jahrhunderts kritisierten, dass die Menschen durch die Revolution in die Freiheit entlassen würden und diese dem einzelnen ständig den Boden unter den Füßen wegziehe. Am Ende verliert das Individuum jeden Halt. Damit hatten sie nicht ganz unecht, weil Freiheit Maß braucht. Wird die Freiheit absolut in den Einzelnen gelegt, dann ist der Absturz die logische Folge. Inwieweit diese subjektive Freiheit nun die Freiheit anderer bedroht, objektive Gegebenheiten noch benennen zu dürfen, das wird die Freiheitsfrage der nächsten Jahre werden.

Christian Kümpel

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Freiheit, die ins Nirgendwo führt

Der Freiheitsbegriff ist komplex. Doch kann man Freiheit im Wesentlichen so definieren: Freiheit heißt, der Mensch kann tun, was er will. Da schließt sich allerdings eine Frage an: Jeder kann tun, was er will. Aber kann jeder wollen, was er will? Schopenhauer hat darauf schon vor 200 Jahren hingewiesen, dass wir Kräften ausgesetzt sind, die unser Handeln bestimmen, ohne dass wir von ihnen Kenntnisse haben.  Diese Kräfte liegen in tiefen Schichten, die uns nicht wirklich zugänglich sind. Vermutlich sind wir deshalb nicht in dem absoluten Sinne frei, wie sich das manche vorstellen.

Und dann gilt es, auch noch folgenden Punkt zu beantworten: Wohin führte eine Freiheitsentwicklung, die immer neue Freiheiten einfordert? Wenn man sich anschaut, woher die Freiheit kommt, dann war es ein langer Weg zu der Freiheit, die wir heute genießen. Zunächst einmal lebten die Menschen in Gesellschaften, die politisch oppressiv waren. Aber auch das gesellschaftliche Klima ließ wenig Spielraum für individuelle Freiheit. Der Liberalismus hat das überwunden. Menschen dürfen ihre Meinung sagen und sie lösten sich von ihren Milieus. Das hatte auch seinen Preis. Viele Menschen fühlten und fühlen sich verloren.

Dann ging es darum Handlungsfreiheit für alle zu ermöglichen. Denn man erkannte, dass Freiheit auch materielle Voraussetzungen hat. Anders gesagt: Ohne Geld ist der Mensch nicht frei. Der Sozialstaat hat dafür gesorgt, dass die Menschen nicht in Freiheit verhungern müssen. Doch auch der Sozialstaat hat seinem Preis, denn er macht Menschen abhängig.

Nun ist man im Begriff, noch einen Schritt weiter zu gehen. Es genügt nicht mehr, von Milieus und Armut befreit zu sein. Man will auch von den eigenen biologischen Voraussetzungen befreit sein. Die Identitätspolitik geht deshalb den letzten Schritt: Freiheit von den geschlechtlichen Bestimmungen. Kurioserweise sperrt die Identitätspolitik uns aber wieder in Milieus und Gruppen ein und reduziert Freiheit. Es ist wohl immer so, dass Freiheit immer auch Unfreiheit mit sich bringt. Doch lassen wir diesen Aspekt einmal außen vor. Konzentrieren wir uns auf die freie Geschlechterwahl. Da wird so getan, als ob man sich vollkommen von den Gegenheiten lösen könnte.

Doch wenn man sich sein Geschlecht frei wählen kann, warum nicht auch seine Hautfarbe? Immerhin kann man ja auch behaupten, schwarz wäre das neue Weiß. Und warum könnte man nicht entscheiden, morgen ein Baum zu sein, wenn man sich so fühlt? Immerhin haben wir mit Bäumen viele Genome gemein. Wer kann eigentlich noch entscheiden, was Freiheit ist, was Wahnsinn, wenn alles ins Subjektive verlegt wird?

Mich erinnert die Entwicklung an die Geschichte vom Fischer und seiner Frau. Die wollte immer mehr. Zuerst waren ihre Wünsche nachvollziehbar. Dann wurde man unverschämmt. Schließlich größenwahnsinnig. Am Ende saßen sie beide wieder in dem Topf, aus dem sie dank des Fisches herauskamen. Und ich fürchte, genau so wird es uns mit der Freiheit gehen. Wenn man absolute Freiheit will, wenn man gottgleich sein möchte, dann wird man alles verlieren. Hoffentlich erkennt man das, bevor es zu spät ist.

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