Kolonialismus und Postkolonialismus

Kolonialismus und Postkolonialismus

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Man kann sicher darüber streiten, ob der Kolonialismus auch gute Seiten hatte. Aber man sollte in jedem Fall so ehrlich sein zuzugeben, dass der Kolonialismus in Afrika nicht viel mit Menschenliebe zu tun hatte. Es ging im dortigen Herrschaftskolonialismus im Wesentlichen darum, Gebiete zu kontrollieren, um sie wirtschaftlich nutzbar zu machen. Das geschah oft unter extrem brutalen Umständen. Dass der Kolonialismus dort keine Zukunft hatte, hat aus meiner Sicht daher eher was mit Nutzen und Kosten zu tun. Am Ende waren die sogenannten Mutterländer nicht mehr willens für ein paar Kolonisten und den geringen Profit viele militärische Ressourcen einzusetzen.

In Kanada mit dem Siedlungskolonialismus verhielt es sich zwar anders als in Belgisch-Kongo. Das soll nicht heißen, dass die Indianer nicht furchtbar gelitten hätten. Die Schwarzen im Kongo wurden allerdings in Größenordnungen massakriert, die den Gräuel des Zweiten Weltkriegs in nichts nachstehen. Schließlich muss noch erwähnt werden, dass der Westen nicht der Erfinder des Systems von Ausbeutung war. Vor ihm versklavten Muslime Millionen. Davor versklavten die Römer die Besiegten. Das war auch nicht gerade nett, nach heutigen Maßstäben. Heutige Maßstäbe – auch des Humanismus – gelten allerdings wohl auch, weil wir dafür die Natur ausbeuten. Das hat auch seine Schattenseiten, wie man sieht.

Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob man nun alle Fehlentwicklungen in Afrika dem Kolonialismus ankreiden sollte. Das kann man tun, wenn man glaubt, dass historische Fakten ein Land zu einem bestimmten Weg verdammen. Dagegen spricht allerdings, dass manche Länder, die grausame Kolonialherren erlitten und furchtbare Kriege durchmachten, sich prächtig entwickeln. Zum Beispiel Südkorea, eine ehemalige Kolonie Japans. Es spricht auch einiges dafür, dass man die ehemaligen Kolonialherren nicht braucht, um zu erklären, was im Süden schief läuft. Von Idi Amin bis Robert Mugabe, von Mali bis Süd Afrika; Afrika kann sich auch ganz alleine kaputt machen.

Doch mit dieser Frage beschäftigt sich der Postkolonialismus nicht. Oder wenig. Er will vor allem die Frage klären, was am Ende der Kolonialära mit dem kolonialistischen Denken geschah. Er behauptet, das Denken wäre noch so wie früher, rassistisch, überheblich und ausbeuterisch, was den Westen betrifft. Wir bräuchten deshalb eine Art Gehirnreinigung. Diese Vorstellung ist in der Tat ideal, und zwar für die Ausbeuter und Verbrecher im Süden. Aber sie ist auch gar nicht mal so unbequem für uns. Denn statt Probleme anzusprechen, die schwierig oder sogar unlösbar sind, könnte man nun durch Bewusstseinsveränderung im Westen Afrikas Probleme in den Griff kriegen. Das hört sich nicht nur esoterisch an. Das ist es vermutlich auch. Und es ist natürlich kontraproduktiv.

So wie gewisse muslimische Kreise hierzulande eine Islamophobie geradezu herbeischreiben, um den Blick von den Irrtümern und Fehlern in vielen muslimischen Ländern oder auch von der muslimischen Community zu lenken, so sorgt die postkoloniale Philosophie dafür, dass man die eigentlichen Fragen zu wenig anspricht, die angesprochen gehören. Dazu gehört auch, dass Strukturen entscheidend dafür sind, ob ein Land prosperiert oder nicht. Die Vergangenheit ist dagegen eher unwichtig. Denn die Vergangenheit ist in einer Zeit der ständigen Transformation kaum noch ein Faktor.

Insofern ist der Postkolonialismus, der alle Verantwortung bei den ehemaligen Kolonialherren sieht und von ihnen eine Bewusstseinsveränderung verlangt – wer sagt, wann die ausreichend stattgefunden hat – schädlich für die Länder des Südens. Denn nur wer ehrlich nach eigener Verantwortung fragt und wer geeignete Strukturen schafft, um Prosperität herzustellen, gewinnt. Man sollte deshalb aufhören, diese Fakten zu verunklaren, und zwar durch Postkolonialismus.

Ansonsten entsteht dauerhaft dasselbe ungute Gefühl, dass man bei einem alternden Mann hat, der immer jammert, seine Eltern seien dafür verantwortlich, dass aus ihm nichts geworden ist. Er hat es vermutlich abgelehnt, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und benutzt nun die Eltern als Ausrede. Manche Verwandte bestärkten ihn sogar noch und fühlen sich gut dabei. Sozusagen moralisch höherwertig. Auch die sehr alten Eltern machen sich ständig Vorwürfe. Ändern tut es aber gar nichts. Der Mann bleibt ein Versager.

Christian Kümpel

Bild: Pixabay


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