Es gibt demokratische Regeln und es gibt eine demokratische Kultur. Alle Regeln helfen nur begrenzt, wenn es an einer demokratischen Kultur fehlt. Die größte Gefahr für die Freiheit ist der Konformitätsdruck. Er sorgt dafür, dass Meinungen auf Linie gebracht werden. Ebenfalls richtig: Stigmatisierung ist das Instrument, um diese Konformität herzustellen. Das Geschäft hat in der Vergangenheit die Mehrheit besorgt. Das ist heute anders. Heute machen Minderheiten den Job.
Was zeichnet diese Minderheiten aus? Sie sind hochgradig aggressiv und sie vertreten eine Philosophie, die ihnen die geeigneten Instrumenten zur Verfügung stellen, um Konformität herzustellen. Wir nennen die Waffe Identitätspolitik.
Dass die Mehrheit sich konform verhält, kennt man. Es bedarf keines nationalsozialistischen Terrors, um die Menschen zum Schweigen zu bringen. McCarthy in den USA war ein Beispiel. Er konnte seinen Terror verbreiten, weil er an die wichtigsten Narrative andockte. Das, was in seinem Fall die Rote Angst war, ist heute die Angst vor der moralischen Keule, die Angst vor den moralischen Ansprüchen, die in Teilen aus der Gesellschaft selbst kommen und die – man möge mir die Wortwahl entschuldigen – hyperventilieren.
Das glauben sie nicht? Dann probieren sie doch mal, in der Öffentlichkeit zu sagen, dass sie stolz seien auf die deutsche Kolonialgeschichte. Oder erklären sie, dass es große Unterschiede zwischen Frauen und Männern gebe, die Gehaltsunterschiede rechtfertigen. Das sind vielleicht Ansichten, die man kritisieren kann. Aber wer sie heutzutage pflegt, der wird zum Feind der Menschheit erklärt.
Was ist zu tun? Gerade Leute, die sich eher als liberal-konservative Menschen verstehen, sind verpflichtet, die Freiheit zu schützen, indem sie den Nonkonformismus hochhalten. Sie müssen immer wieder betonen, dass man abwegig, falsch und sogar dumm denken darf. Ja, man darf sogar böse Dinge sagen. Und sie müssen immer wieder darauf hinweisen, dass es keine Wahrheit gibt. Das wird ihnen sicher nicht leichtfallen. Denn auch sie sind Moralisten. Aber sie sind, daran besteht kein Zweifel für mich, die letzte Chance auf eine Kultur, die noch den Namen demokratisch verdient.
Kü
Bild von Andrew Martin auf Pixabay