Diskursherrschaft

Wenn Diskurs nicht mehr Diskussion bedeutet, sondern im Sinne von Foucault ein „sprachlich produzierter Sinn­zusammenhang, der eine bestimmte Vorstellung forciert, die wiederum bestimmte Machtstrukturen und Interessen gleichzeitig zur Grundlage hat und erzeugt“, dann heißt das so viel: Wer den Diskurs beherrscht, hat die Macht. Und nur darum geht es.  

Wer also annimmt, dass es nur zwei Geschlechter gibt, der wird bei einem Diskurstheoretiker lernen müssen, dass dies nur der herrschende Diskurs sei. Allerdings, wenn jede Form von Realität nur geschaffene Realität ist, dann ist sicherlich die Vorstellung von drei oder vier Geschlechtern ebenfalls nichts als ein Machtdiskurs. Anders gesagt: Alles ist nur eine Frage des Einflusses, den man hat. Realität außerhalb des Machtdiskurses spielt keine Rolle. Es gibt sie nicht.

Bei der Macht kommt es eben nicht auf die wahre Wahrheit an. Es kommt nur darauf an, sie zu kontrollieren. Ein Luhmann würde vermutlich sagen, dass es nicht redlich sei, Macht gegen Wahrheit auszuspielen. Diese Begriffe gehören zu verschiedenen Systemen. Aber wer kann bestreiten, dass derjenige, der die Macht hat, auch die Wahrheit kontrolliert? Wie man ja auch in Nordkorea sieht.

Wenn das so ist, dann gäbe es für jeden politisch denkenden Menschen nur ein Ziel, dem anderen seinen Diskurs aufzudrücken. Dabei wäre es eigentlich egal, was hier Währung wäre. Gestern soziale Frage. Morgen Geschlechterkrieg. Übermorgen Transsexualität. Am besten was mit Moral. Die Themen sind aber nur dazu da, ein Machtprobierstein zu sein. Denn die Wahrheit gibt es ja nicht im eigentlichen Sinne.

So gesehen wäre jeder von uns auch nur ein Soldat im Machtkampf. Wofür wir uns noch entscheiden können: Wo wir stehen wollen. Aber vermutlich wäre auch das eine Illusion. So wie die Vorstellung, es gebe eine Realität. Die Macht wählt wahrscheinlich uns. Sie ist das einzige, was zählt.

Diese Vorstellung ist natürlich weit entfernt von jeder Form des üblichen Realismus´. Aber eigentlich sehr nah an der Vorstellung des ewigen Kampfes ums Dasein. Und so verhält es sich am Ende auch. Es herrscht Machtwille in dieser schönen neuen Welt und der Kampf wird immer bitterer. Foucault war ihr Prophet und Geburtshelfer.

Christian Kümpel

Wir wracken alles ab

Wenn die Familie als Institution dich stört, dann solltest Du den Familienbegriff solange aufweichen, bis nichts mehr übrigbleibt, zum Beispiel mit einer Verantwortungsgemeinschaft als Alternative. Falls dich die Gesellschaft als Ganzes bedrückt, dann solltest Du diese solange moralisch in Frage stellen, bis jeder glaubt: Diese Gesellschaft ist ungerecht, rassistisch und sexistisch. Damit fängt man am besten im Kindergarten an. Und solltest du der Meinung sein, dass die Menschen in einem Land übel sind, dann erkläre sie zum Problem. Vielleicht kann man sie durch Einwanderer erstetzen. Dabei geht es natürlich nicht darum, was tatsächlich ist. Es geht darum, das Alte aufzulösen, damit man es abwracken, um für etwas Neues, Besseres Platz zu machen.

Tatsächlich gehört es seit allen Zeiten das Delegitimieren zur Technik derjenigen, die das Alte verabschieden und das Neue herbeiführen wollten. So haben ja die bürgerlichen Kräfte durchaus die Adligen Vorstellungen subversiv unterwandert, indem sie in Literatur und Theater die adlige Welt problematisierten. Erinnert sei auch an die Delegitimierungsstrategien der Nazis in der Weimarer Republik. Und was ist mit den Kommunisten und ihren Einflüsterern?

Allerdings müssen die Menschen auch irgendwie dazu gebracht werden, zu glauben, ihre alte Welt sei von grundsätzlichem Übel. und das, was kommt, wäre viel besser. Normalerweise sollte man da skeptisch sein. Aber die einen tun am Ende mit, weil sie tatsächlich denken, sie lebten in einer unerträglichen Welt. Die anderen helfen beim Abwracken, weil sie Mitläufer sind. Sie spüren zum Beispiel, dass es weniger soziale Kosten verursacht, zu gendern, auch wenn sie nicht unbedingt Fans sind. Damit legitimieren sie wiederum diese vollkommen absurde Form sich auszudrücken und delegitimieren normales Deutsch. Die meisten kümmern sich nicht drum, bis es zu spät ist, bis sie gendern müssen und die Ehe aufgehört hat, zu existieren. Immerhin hat nicht jeder Zeit und Lust, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Günstig für die Abwracker.

Vergessen wir nicht, dass der Vater der Identitätspolitik, Michel Foucault, das Wort subversiv sozusagen subversiv verwandelt hat. Es bekam nun den positiven Klang des Revolutionären. Und so untergräbt man auch mit seinem Segen munter alles, was man so vorfindet. Wohin uns das alles führen wird? Jedenfalls weit weg von dem, was war. Und ich habe keinen Zweifel, dass irgendwann auch das, was nun entsteht, in der Kritik stehen wird. Denn das ist ja der Kern unserer modernen und postmodernen Gesellschaften: Wir delegitimieren das Alte, weil das Neue so viel besser zu sein verspricht. Allerdings hat es seine Versprechungen bis jetzt nicht immer gehalten. Im Gegenteil. Das vergessen wir bloß leider immer wieder. Warum nur?

Christian Kümpel

Bild: Pixabay