Kulturelle Aneignung ist in aller Munde. Für diejenigen, die mit dem Begriff dennoch nichts anzufangen wissen: „Kulturelle Aneignung ist die Übernahme von kulturellen Ausdrucksformen oder Artefakten, Geschichte und Wissensformen von Trägern einer anderen Kultur oder Identität bezeichnet. Im engeren Sinn wird als „kulturelle Aneignung“ angesehen, wenn Träger einer „dominanteren Kultur“ Kulturelemente einer „Minderheitskultur“ übernehmen und sie ohne Genehmigung, Anerkennung oder Entschädigung in einen anderen Kontext stellen. Die ethische Dimension kultureller Aneignung wird in der Regel nur dann thematisiert, wenn die übernommenen Kulturelemente einer Minderheit angehören, die als sozial, politisch, wirtschaftlich oder militärisch benachteiligt gilt.“ So Wikipedia. Beispiele für kulturelle Aneignung gibt es zuhauf. Kinder, die sich als Indianer verkleiden, gehören dazu. Für Deutschland hat ebenfalls Wikipedia die „schlimmsten“ Fälle aufgelistet. Der Kabarettist Rainald Grebe trägt bei Auftritten in Anspielung auf Karl May ein Warbonnet. Im März 2022 wurde die weiße Musikerin Ronja Maltzahn aufgrund ihrer Dreadlocks von der Ortsgruppe Hannover der Klima-Aktivisten von Fridays for Future ausgeladen. Der Ravensburger Verlag nimmt im August 2022 zwei Kinder- und Jugendbücher aus dem Programm. Die „Winnetou“-Titel erhielten auf Social Media Plattformen wie Instagram negative Rückmeldungen.
Wenn man wollte, gäbe es noch viel zu kritisieren. Träger von Palästinensertüchern, Irokesen-Frisuren und Schottenröcken. Was jedoch seltsam ist: Warum wird kulturelle Aneignung kritisiert, aber keine Geschlechteraneignung? Diese Form der Aneignung, für alle die im Bereich Identitätspolitik noch neu sind, bedeutet, dass zum Beispiel ein Mann einfach Insignien der Frau übernimmt. Frauen sind, das ist gerade bei Linken unbestritten, jahrtausendelang unterdrückt worden. Sie waren in der Vergangenheit leicht an ihren Haaren und an der Gesichtsbemalung zu erkennen. Das machte ihre Identität aus. Damit betonten sie aber auch ihren Status in der Gesellschaft und markierten das Geschlechterverhältnis. Und nun nehmen sich Männer einfach heraus, diese Insignien für sich zu nutzen und Camouflage zu betreiben?
Seit jüngster Zeit gibt es sogar immer mehr Männer, die sich diese Zeichen aneignen, ohne dass Frauen gefragt würden. Mehr noch: Sie steigern sich in diese Rollen hinein, wie zum Beispiel Tesa Ganserer, der auch prompt von der Frauenquote profitiert. Das erinnert an Weiße, die sich für Farbige halten, um eine Opferrolle übernehmen zu können. Jessica Krug aus den USA ist so ein Fall. Für sie gab es dann als „schwarze Professorin“ viel Aufmerksamkeit. Zu Recht wurde das kritisiert.
Doch schlimmer ist es noch, dass Männer sich der Geschlechter-Aneignung erfreuen, sogar glauben sie wären Frauen und dafür auch noch gefeiert werden. Dass Frauen hier misstrauisch werden, ist kein Wunder. Denn wenn es sich nicht um einen Fetisch handelt, der als solcher dann auch benannt werden sollte, weil man sich gerne im BH sieht, ist es doch so, dass Männer, die sich als Frauen ausgeben, sich so aus ihrer Verantwortung als Unterdrücker stehlen. In jedem Fall schmälern sie das Leid, dass Frauen erlitten haben. Ja sie machen einen Witz daraus. Dass die Linken dies mitmachen, zeigt das auf der falschen Seite stehen, nämlich der der Männer, obwohl es ihnen doch angeblich um die Unterdrückten dieser Erde ginge, zumindest aber um Minderheiten. Die richtige Seite kann so gesehen nur die der Frauen sein. Ihre Geschlechter-Identität zu achten müsste uns Männern Gesetz sein. Es muss also grundsätzlich gefragt werden, ob sich Männer einfach die Insignien der Frauen aneignen dürfen. Ich denken nein. Denn alles andere wäre Identitätsdiebstahl und damit Teufelszeug.
Christian Kümpel
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