Opferneid

Neid hat viele Facetten. Es gibt ihn als Missgunst, aber auch als Bewunderung. Und wer kennt ihn nicht auch in seiner üblen Variante, dem Antisemitismus? Der Antisemitismus ist ursprünglich erwachsen aus dem Gefühl, dass die Juden das auserwählte Volk seien. Da kam Neid auf. Die Christen und Muslime haben den Pakt mit Gott den Juden nie verziehen. Denn sie wollten doch auch auserwählt sein. Leider kamen sie etwas zu spät. Gott hatte schon seine Wahl getroffen. Und weil die Juden nicht anerkennen wollten, dass die Nachgestaltungen ihrer Religion, nämlich des originären Monotheismus, eben nichts als Nachgestaltungen waren, wuchs der Hass.

Doch auch wer nicht religiös ist, kann an den Juden seine Missgunst ausleben. Was macht die Leute neidischer als Erfolg. Die Kapitalisten und Investoren, die Unternehmer und Bankiers waren manchmal Juden. Wer den Kapitalismus hasste, der konnte sein Mütchen an den erfolgreichen und weniger erfolgreichen Juden kühlen. Im Zweifelsfall waren die eben auch reich. Der linke Antisemitismus war geboren, natürlich auch aus dem Neid.

Der rechte Antisemitismus hat dann dem religiös und wirtschaftlich bedingtem Neid noch den Rassismus hinzugefügt. Daraus entstand eine tödliche Bedrohung, die im Tod von sechs Millionen Juden mündete.

Nun müsste man denken, dass die Menschen erkennen, wie übel der Antisemitismus ist Doch die Juden werden ihn nicht los, solange es den Neid gibt. Jetzt sind es die Identitätsopfergruppen, die missgünstig sind. Warum? Nun, im postkolonialistischen Diskurs wird gemeint, die Kolonisierten wären allein die Leidenden, sozusagen mit Monopolanspruch. Da stören die Juden nur. Denn die Juden könnten hier einen traurigen ersten Platz reklamieren. Da wird es für Indonesier, Afrikaner und Araber eng, auch wenn ihnen durchaus durch Kolonialherren Übles widerfahren ist.

Doch wie kommt es, dass die Diskussion um den ersten Opfer-Platz allein, so viel Hass schürt? Wäre nicht vielmehr Solidarität und das Gefühl von Brüderlichkeit gefragt? Nun, hilft die berühmte Täter-Opfer-Umkehr. Man meint, Juden wären jetzt auch Kolonialherren. Und die sind bekanntermaßen immer böse. Und wen kolonisieren sie angeblich? Die Araber in Palästina! Das ist natürlich ein Witz, denn Araber haben in Israel nicht nur Rechte wie andere Staatsbürger in Israel. Sie werden auch nicht ökonomisch ausgebeutet. Sie werden nicht versklavt. Dass im Westjordanland nicht alles zum Besten bestellt ist, mag sein. Allerdings können sich die Bewohner dort dafür in erster Linie bei ihrer korrupten und unfähigen Führung bedanken, die die Chance auf eine Zweistaatlichkeit mehrmals vertan hat. Diese Fakten passen allerdings nicht zum Narrativ von den Juden als weiße Täter.

Auch nicht die Tatsache, dass es einen Teilungsplan gab, der von den Juden akzeptiert wurde. Von den Arabern nie. Die Engländer und Franzosen waren dabei durchaus bereit, die Juden zu verkaufen. Doch am Ende konnte sich Israel behaupten gegen den Angriff der Araber behaupten. Gleichzeitig gelang es Hundertausende aus arabischen Ländern vertriebenen Juden im Land zu integrieren, die man zu Israelis machte, während die Araber niemals Palästinenser integrieren. Will man das dem Land zum Vorwurf machen?

Die Identitätspolitik tut es. Sie behauptet frech, Israelis wären Kolonialherren. Man behauptet weiter die Araber wären die größten Opfer. Sicher sind sie Opfer. Aber nicht der Israelis, sondern ihrer korrupten und unfähigen Regime.

So müssen die Juden in Israel und darüber hinaus nun nicht nur hören, dass sie die Bösen sind, weil ja die Identitätspolitik nicht viel weiter ausdifferenzieren kann als ein drittklassiger Hollywood-Schinken. Sie müssen auch noch ertragen, dass man sie zu Nazis macht, wie man auf der letzten Dokumenta sehen durfte. Dahinter steckt allerdings nichts anderes als das Gefühl, nur man selbst könne Opfer sein. Welche Anmaßung geboren aus dem Geist des Neides. So müssen wir nun die vierte antisemitische Welle erleben. Dass die Linke da wieder mitmacht, dürfte kaum überraschen.

Christian Kümpel

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