Menschen sind feige

Menschen sind feige. Sie müssen es sein. Denn sie sind aufeinander angewiesen. Sie sind sozusagen soziale Tiere, die nicht allein existieren können. Und das hat Konsequenzen. Man begehrt nicht auf, man duckt sich weg, man formt seine Meinungen der Umwelt an. Feigheit hilft uns zu überleben.

Deshalb schreibt die Max-Planck-Gesellschaft: „Menschen passen nicht nur ihr Äußeres an verschiedene, oberflächliche Modeerscheinungen an, sondern orientieren ihre Meinung oft an der Mehrheitsmeinung, selbst wenn diese nicht ihrer eigenen entspricht. Diese Anpassungsfähigkeit spielt eine wichtige Rolle beim Erwerb kulturspezifischen Verhaltens. Wir erwerben dieses, indem wir uns am Verhalten anderer Gruppenmitglieder orientieren. Werden wir dabei von Anderen mit Informationen konfrontiert, die im Widerspruch zu unseren eigenen Ansichten stehen, übernehmen wir im Zweifelsfalle die Meinung der Mehrheit.“ Weiter heißt es: „Am ersten Teil der Studie nahmen pro Durchgang vier Kinder teil. Sie erhielten scheinbar identische Bücher mit jeweils 30 Doppelseiten, auf denen Tierfamilien dargestellt waren. Links waren Mutter, Vater und Kind zusammen, rechts nur jeweils ein Familienmitglied. Die Kinder sollten nun bestimmen, um welches Familienmitglied es sich handelte. Aber nur drei der Bücher waren tatsächlich identisch, beim vierten war manchmal auf der rechten Seite ein anderes Bild zu sehen. Die Kinder dachten jedoch, dass sie alle die gleichen Bücher vor sich hatten. „Das Kind, welches das abweichende Buch erhalten hatte, wurde mit der aus seiner Sicht völlig falschen Einschätzung dreier Gleichaltriger konfrontiert“, erklärt Haun. „Von 24 Kindern passten sich 18 Kinder in einem oder mehreren Fällen dieser mehrheitlichen Einschätzung an, obwohl sie es eigentlich besser wussten“.“

„Aus welchen Gründen sich bereits Vorschulkinder der Mehrheit anpassen, untersuchten die Forscher im zweiten Teil der Studie. Abhängig davon, ob eine Lampe leuchtete oder nicht, sollten die Kinder nun die richtige Lösung entweder laut aussprechen oder still auf das entsprechende Tier zeigen, sodass nur der Studienleiter, nicht aber die anderen Kinder die Antwort sehen konnten. Von 18 Kindern, die nicht der Mehrheit angehörten, übernahmen 12 in einem oder mehreren Fällen deren Einschätzung, wenn sie ihre Antwort laut aussprechen mussten. Sollten sie hingegen still auf die richtige Antwort zeigen, übernahmen nur 8 von 18 Kindern die Mehrheitsmeinung. Die Kinder passten also in der Regel ihre öffentliche nicht aber ihre private Antwort an die Mehrheit an. Das deutet darauf hin, dass die Anpassung soziale Gründe hat, wie zum Beispiel die Akzeptanz innerhalb der Gruppe. „Bereits vierjährige Kinder unterliegen einem gewissen Gruppenzwang und beugen sich diesem zum Teil aus sozialen Beweggründen“, so Daniel Haun.“

Die Identitätspolitik macht sich zunutze, dass wir feige sind. Privat meinen wir, dass das alles Irrsinn ist. Sagen tun wir es nicht.  Die meisten machen brav mit. Es ist eben so, dass man kein Nazi-Deutschland braucht, um Konformität herzustellen. Man braucht auch keine Sowjetunion. Menschen können sich auch in einem demokratischen System so verhalten, als ob es eine Diktatur wäre. Der Druck muss nur groß genug sein. Wir selbst sind eben immer das schwächste Glied in der Kette. Und leider sind wir nicht alle wie Sophie Scholl, sondern eher wie Radarmenschen, die zusehen, dass sie nirgends anecken, und zwar schon in jungen Jahren.  

Bild von Rob van der Meijden auf Pixabay