Minderheitenpower

Erstaunlich, wie oft Minderheiten Mehrheiten beeinflussen. Doch wie kommt das eigentlich, dass Minderheiten ihre Positionen durchsetzen können? Immerhin heißt es doch, die Mehrheit herrscht. Dass die Mehrheit entscheidet, ist offensichtlich nicht immer der Fall. So gab es zwar in Deutschland eine Mehrheit, die meint, dass Frauen Frauen und Männer Männer sind. Doch schon jetzt heißt es auch bei uns: Frauen sind nur ein soziales Konstrukt. Es gibt sie in Wirklichkeit nicht. Deshalb kann auch ein Mann eine Frau sein, wenn er das wünscht.

Doch wie läuft das konkret, dass Minderheiten sich mit ihren oft abwegigen Meinungen durchsetzen. Wie hat es zum Beispiel Hitler und seine Gang geschafft, den Leuten einzureden, es wäre das Beste, bestimmte Gruppen auszugrenzen und zu vernichten? Oder wie ist es Mao gelungen, die Leute glauben zu machen, man müsse alle Vögel töten, um eine bessere Ernte zu erreichen, worauf es eine Insektenplage gab?

Zunächst einmal braucht man eine Minderheit, die ihrer Sache ganz sicher ist. Dabei gilt: Je sicherer das Auftreten, umso eher drückt man seine Meinung durch. Dass das funktioniert, hat man in einem Farbexperiment in den 60igern herausgefunden. Versuchspersonen, die in Gruppen aufgeteilt wurden, hat man blaue Dias gezeigt. Wenn eine Minderheit dabei konsistent erklärte, dass das Dia grün sei, änderte ein Teil der Versuchspersonen aus der Mehrheitsgruppe seine Meinung. Man sieht also: Alles ist möglich, wenn man nur bei seiner Meinung bleibt. Dabei muss man aber auch schon mal eine Durststrecke in Kauf nehmen.

Richtig, es kann durchaus abtörnend sein, wenn man sich zu rigide auf den Standpunkt stellt, das Dia wäre grün. Besser man erklärt: Für uns ist das Dia grün. Wenn es für dich das Grün ins Blaue hineinspielt, dann kann ich damit leben, solange du erkennst: Das Dia ist im Wesentlichen grün. Pseudotoleranz kommt eben immer gut an. Und wenn man irgendwann die Macht und die Mehrheit hat, kann man ja immer noch nachlegen.  

Weiter macht sich die Minderheit zu Nutze, dass die Mehrheit konfliktscheu ist. Viele denken eben: Wenn euch so viel daran liegt, dass das Dia grün ist, dann sei es so. Immerhin wollen wir an so einer Lappalie die Gemeinsamkeit nicht scheitern lassen. Und dann gibt es ja auch Belohnungen. Wer sich zu den grünen Dias bekennt, wird vielleicht für besonders progressiv gehalten. Oder für besonders intelligent. Und so glauben sicher einige am Ende: Grün ist doch nur ein anderes Wort für blau.

Wenn man allerdings in größeren Dimensionen denkt, ist es dennoch unabdingbar, dass man die Schaltstellen der Macht erobert. Dies geschieht, indem man in den Kindergärten, Schulen und Unis seine Meinung verankert, und zwar peu à peu. Dann wird das Thema, das einen am Herzen liegt, sehr bald auch in der Wirtschaft, der Politik und der Werbung eine Rolle spielen, spätestens wenn die Kleinen groß geworden sind. Anders gesagt, wir reden hier von einem Generationenprojekt.

Fazit: Auch Minderheiten können also Mehrheiten beeinflussen, wenn sie Konsistenz zeigen und machtbewusst sind. Und so können Nazis, Kommunisten, Islamisten oder andere Extreme der Mehrheit ihren Stempel aufdrücken. Weil sie es zulässt. Allerdings muss die Minderheit dabei darauf achten, dass man mit einer Stimme spricht. Denn wenn die Minderheiten irgendwann in viele verschiedene kleinere Minderheiten zerbröseln, beginnt irgendwann das Spiel von vorne. Zum Beispiel dann, wenn auf einmal einige Frauen darauf beharren, dass Frauen Frauen und Männer Männer sind und es ihnen gelingt, einige von der Mehrheitsgruppe auf ihre Seite zu ziehen. Irgendwann in ferner Zukunft könnte dann dies jetzt noch Unvorstellbare tatsächlich geschehen.

Christian Kümpel

Bild: Pixybay