Die Weggucker

Also hat man nun doch erkannt: Russland ist kein freundlicher Flächenstaat, der ungerechtfertigterweise von der Nato bedroht wird. Vielmehr sieht man in aller Welt, dass Russland mit seinen Oligarchen, seiner Propaganda und seinem Gas die Welt überall zu unterwandern suchte. Dabei ist es ihm gelungen, sein Narrativ auch im Westen immer wieder fruchtbar zu machen. Wir erinnern uns nun mit Verwunderung an die Äußerungen der russischen Einflussagenten aus AfD, der Linken oder auch der SPD. Aber auch Angela Merkel hat kräftig mitgeholfen. Russland konnte das alles so erfolgreich tun, weil wir eben hier anitamerikanische Politik lieben und die Polen nicht ganz für voll nehmen. Freunde von starken Männern und Politikern, die glaubten, Entspannungspolitik heiße, man schaue einfach immer weg, wenn was Schlimmes passiert, tun ein Übriges.  

Dabei spielen natürlich auch viele von denjenigen, die nach Deutschland aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert sind, eine unrühmliche Rolle. Gerne haben sie sich von Putins Propaganda vor den Karren spannen lassen. Was aus Russland kam, das war für sie die reine Wahrheit. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Sowjetunion von Lügen zusammengehalten wurde und Aussiedler dort verfolgt wurden. Ebenfalls verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der Kreml-Nachfolger ein ehemaliger KGB-Agent war. Aber vielleicht auch doch nicht so besonders, wenn man sich daran erinnert, dass viele Russen ehrlich traurig waren, als Stalin tot war. Man liebt eben seine Verfolger, irgendwie.

Wie es scheint, ist mit dem Einfluss aber fürs Erste Schluss. Zumindest trauen sich die Putin-Versteher zurzeit nicht aus der Deckung. Putins Russland bekommt jetzt das Misstrauen, das es immer schon verdient hat. Doch wird man sich sicher noch ausführlich mit dem Thema beschäftigen: Wer hat es Putin hierzulande ermöglicht, seine Kriege zu führen? Warum wollte man die Zeichen nicht erkennen? Warum redet man sich Diktatoren schön? Diese Fragen müssen noch historisch aufgearbeitet werden. Darin sind wir doch angeblich so stark, in Aufarbeitung.

Das gilt ja auch immer noch für den Islam. Es ist bekannt, dass der Iran, Qatar, die Türkei und andere muslimische Staaten hier nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell Einfluss nehmen. Naiv ist, wer nun meint, die Türkei wolle dabei einen Dialog auf Augenhöhe, oder wie was der Phrasen noch so sind. Vielmehr nimmt man Einfluss auf die Türken die hier leben, um diesen Staat und diese Gesellschaft im Sinne des Islams zu beeinflussen. Glaubt dabei irgendwer jetzt noch, dass alle Muslime hier ganz anders als die Aussiedler fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen? Naiv, kann man dazu nur sagen. Aber eben typisch.

Egal, ob nun Islamkonferenz, Unterricht oder Parteienpolitik, über die Versuche, der islamischen Staaten, hier Einfluss zu nehmen, müsste jetzt auch offen gesprochen werden. Wird es passieren? Wohl kaum. Lieber wird man weitermachen mit den beliebten Sprüchen. Islamophobie, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gesinnung wird man den Skeptikern vorwerfen. Bis es irgendwann knallt. Doch sogar dann wird man weiter beschwichtigen, wie man ja auch nach der Krimbesetzung und dem Abschuss der KLM-Maschine immer noch Ausreden fand. Vermutlich ist es eben systemisch in diesem Lande, wegzusehen, solange es nur irgend geht. Denn wer hinsieht, der muss dann auch was machen.

Christian Kümpel

Bild: Pixabay

Gibt dich nie ganz hin

Putin ist sicher gegen das Gendern. Muss man deshalb für Putin sein? Die AfD ist gegen Massenzuwanderung aus dem muslimischen Raum. Muss man die Partei dann nicht wählen, wenn man es auch so sieht? Bestimmte Liberale sind für absolute Freiheit. Aber ähnelt die nicht am Ende einem Wahn? Rassismus ist sicher nicht schön. Aber was geschieht, wenn man dieses Problem immer mehr moralisch auflädt und am Ende paranoia-artig in allen und jedem erkennt? Kann man den Woken folgen, auch wenn man am Ende sich selbst bezichtigen muss, um den „Erleuchteten“ zu gefallen in der Hoffnung, bei ihnen Beißhemmung hervorzurufen. Ist die Linke eine Option, obwohl ihr Paradies auf Erden wie die Hölle selbst erscheinen muss? Sollte man melancholisch einer Zeit nachtrauern, die es vermutlich so nicht gegeben hat? Die Konservativen, was haben sie anzubieten, außer der Mahnung, den Unsinn noch ein wenig bleiben zu lassen, bevor man ihn dann zähneknirschend doch akzeptiert. Wenn man einigermaßen über die Runden kommen will, dann muss man sich wohl darüber klar sein, nichts ist ganz richtig. Meist sind die Angebote sogar übel und falsch. Es gilt deshalb: Wer dem Teufel in einer Sache recht gibt, muss ihm deswegen ja noch nicht die Seele überschreiben.

Was bleibt, das ist Skepsis als Grundhaltung, Skepsis gegenüber all den Ideen und geistigen Angeboten. Sich nicht hinzugeben, sondern allem gegenüber reserviert zu sein, ist vermutlich die Haltung, die einen ermöglicht, sich nicht ins Absolute zu begeben, wo man als Mensch bald verloren ist. Doch ist Skepsis nicht eine Ausflucht? „Die Skepsis ist nicht die Apotheose der Ratlosigkeit, sondern nur der Abschied vom Prinzipiellen.“ Das meinte der Philosoph Odo Marquardt. Natürlich fehlt den Skeptikern diese Begeisterungsfähigkeit und der Überschwang. Es fehlt ihnen aber auch das Rechthaberische, das Verbohrte und das Gefährliche. Daher ist Skepsis wohl das beste Gegengift zu den Ideologien, die im Schwange sind. Vermutlich aber war und ist sie das zu jeder Zeit.

Christian Kümpel