Rinks und lechts

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In der FAS vom letzten Sonntag wird noch einmal nach den Veränderungen in der Parteienlandschaft gefragt. Vor allem wird diskutiert, welche Parameter für die neue Lage verantwortlich sind. Herbert Kitschelt und Phillip Rehm beschränken sich dabei laut Boris Holzer auf zwei Faktoren: Bildung und Einkommen. Als Begründung geben sie an, dass andere Faktoren eng mit diesen korrelieren. Zum Beispiel hängen religiöse Überzeugen auch sehr stark von der sozio-ökonomischen Lage ab. Wenn man sich jedenfalls auf diese Kriterien einlässt, dann ergibt sich folgendes Bild:

Früher waren die Einkommensschwachen und Bildungsschwachen eher gewillt, linke Parteien zu wählen. Bildungsstarke mit hohem Einkommen wählten dagegen konservative Parteien. Dies natürlich alles grosso modo. Durch die Bildungsexpansion wuchs jedoch Gruppe der Bildungsgewinner, die jedoch nicht unbedingt Spitzengehälter erzielten, an. Mit ihnen rückte die Bildungselite nach links. Im Gegenzug fanden sich die Bildungsschwachen bald im rechten Lager wieder. Sie sind eher autoritär geprägt und wählen zum Beispiel Trump, weil Verteilungsfragen der Identitätspolitik gewichen sind. Anders gesagt: Die Demokraten werden die Partei der Bildungsgewinner, die Republikaner die Partei der Nichtakademiker. Oder, bundesrepublikanisch übersetzt, es werden die Grünen die Partei der Akademiker, die AfD wird dagegen die Partei der Nichtakademiker.

Das ist ein Dilemma für die klassische Arbeitergruppe. Ihnen ging es nur um Umverteilung. Die neue Linke will dagegen Gendergerechtigkeit. Auch das klassische bürgerliche Publikum findet sich nur in den ökonomischen Programmen der neuen Rechte wieder. Das Autoritär-Populistische ist ihnen aber eher unangenehm. Fazit: Die größten Fans des Linksliberalen sind eher mäßig verdienende Akademiker, während die Freunde der Rechten bei den besser verdienenden Nichtakademikern Punkten können. Eine Verkehrung der Verhältnisse, möchte man meinen.

Diejenigen, die sich nun Umverteilung, aber wenig Liberalisierung wünschen, fallen durch den Rost. Frau Wagenknecht und Konsorten mahnen daher immer wieder an, die Identitätspolitik fallen zu lassen, weil sie auf das Neobürgertum zugeschnitten ist. Das ists sozusagen der Klassenfeind. Allerdings wohl vergeblich. Denn die neue Linke verachtet die bildungsschwachen Freunde des Autoritären, die gerne starken Männer folgen. Sie erkennen in ihnen keine Verbündeten, sondern Feinde, die bekämpft werden müssen. Hätte sich das ein Karl Marx träumen lassen?

Wer nun meint, das Sein bestimme das Bewusstsein, der wird jedenfalls enttäuscht zur Kenntnis nehmen müssen, dass nicht so sehr die ökomische Lage als die Bildungsschicht heute darüber entscheidet, wo man politisch steht. Mit der bald anstehenden Krise kann sich das natürlich schnell wieder ändern. Denn Verteilungsfragen können dann wieder zu einem neuen Muster führen, zum Beispiel arme Akademiker und arme Nichtakademiker vereint gegen wenigen verbliebenden Reichen oder den Staat. Wie auch immer es kommen mag, am Ende heißt es jedenfalls immer die Einen gegen die Anderen. Wofür sie jeweils stehen ist dabei austauschbar.

Christian Kümpel


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