Alles nur geklaut

Fridays for Future wollte wieder mal eine Klima-Demo durchführen. Und weil es ja auch darum geht, bei allem Ernst Spaß zu haben, wollte man die Sängerin Ronja Maltzahn und ihre Band dazu einladen. Maltzahn trägt aber Dreadlocks. Dreadlocks sind die Filzlocken des Haupthaars. Nun gilt es bei manchem als kulturelle Aneignung, wenn Weiße sowas tragen. Maltzahn ist weiß.

Kulturelle Aneignung heißt übrigens für alle, die so etwas nicht kennen, man nimmt irgendwelche typisch fremden Gebräuche und kopiert sie. In dem Fall von Schwarzen. Manche würden es daher eher als Kulturtransfer bezeichnen.

Jedenfalls wurde Maltzahn nun wegen der nicht gewaschenen, verfilzten Haare ausgeladen und war geschockt. Im Tagesspiegel wurde sie mit folgenden Worten zitiert: „Wir hatten uns darauf gefreut ein Zeichen für Frieden und gegen Diskriminierung mit unserer Musik setzen zu dürfen. Schade, dass wir aufgrund von äußerlichen Merkmalen davon ausgeschlossen werden.“

Ja, schade. Allerdings könnte man ja auch damit kommen, dass Dreadlocks nicht nur Schwarzen gehören, um mal in der Terminologie der Identitätspolitiker zu bleiben, sondern allen. Hierzu kann man bei Wikipedia nachlesen: „Auch in Europa waren teilweise verfilzte Frisuren populär, beispielsweise am Hof von König Christian IV. von Dänemark und Norwegen (1577–1648). Der König litt an einem Weichselzopf, einer unerwünschten Zusammenballung verfilzter Haare, die vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit in ganz Mitteleuropa verbreitet war. Der Weichselzopf des Königs hatte die Form eines „Schweineschwanzes“, der von der linken Seite seines Kopfes herabhing und mit einer roten Schleife verziert war. Um dem König zu schmeicheln, wurde diese Haartracht von den Menschen an seinem Hof imitiert. Auch in Kombination mit dem Mühlsteinkragen dienten verfilzte Zöpfe als modische royale Frisurenvariante. Weiterhin glaubte man auch, dass Krankheiten durch die Haare den Körper verlassen und sah die Verfilzung von Haaren als ein gutes Zeichen, daher durften diese nicht abgeschnitten werden. Zudem trugen französische Soldaten verfilzte Haare als Schutz vor Säbelangriffen auf den Nacken.“

Aha! Die Frage wäre nun, wer da von wem geklaut hat. Denn die Rastafari kamen erst um 1930 auf den Dreh mit den Dreadlocks. Bedeutet das nun, die Schwarzen müssen der kulturellen Aneignung bezichtigt werden, weil ja der Weichselkopf aus Europa stammt? Ach was! Normale Menschen, also keine Identitätskrieger, sehen so etwas entspannt. Wenn Afrikaner Hemd und Krawatte tragen, dann empfinde ich es jedenfalls nicht als kulturellen Diebstahl. Ich nehme es ihnen auch nicht übel, dass sie nicht im Lendenschurz durch Köln marschieren. Sie wollen vielleicht so sein wie wir. Oder zumindest so aussehen. Das ist doch ein schönes Kompliment. Und wenn Frau Maltzahn so erscheinen möchte wie ein Rastafari, dann ist das sicher auch eine kulturelle Verbeugung vor Reggae und Co.  

Eine andere Frage ist, ob einem Dreadlocks wirklich stehen. Ich würde meinen, dass Olaf Scholz damit lächerlich aussähe. Frau Maltzahn jedoch hat jeden Grund, ihre Dreadlocks weiter zu tragen.

FFF hat da also im Ergebnis was an den Haaren herbeigezogen. Denn wenn man nicht nur das Klima schützen will, sondern auch noch in allem ein Haar in der Suppe findet, dann wird es eben haarig, wie man sieht.

Christian Kümpel  

Bild: Pixabay

Struktureller Skandal

Ein handfester Skandal ist ein Ärgernis, welches unendlich viele Menschlein überglücklich macht, so Gert W. Heyse. Doch was macht eigentlich einen Skandal aus?  Der Skandal braucht zunächst einmal einen Hintergrund, auf dem sich der Skandal abspielt. Der Hintergrund wäre eine bestimmte Einstellung der Gesellschaft zu einem Verhalten. Frauen schlecht zu behandeln, weil sie Frauen sind, wäre jedenfalls ein Skandal, weil in unserer Gesellschaft Frauen geachtet werden. Wenn dann ein Weinstein-Fall oder ein Reichelt-Fall durch die Presse gehen, dann wird bestätigt, was man schon wusste: Die Gesellschaft ist gegen Sexismus. Dass es in bestimmten Kreisen ein Schweigekartell gibt, steht auf einem anderen Blatt.

Was solche Skandale allerdings nicht beweisen: Die Gesellschaft ist sexistisch. Denn in einer sexistischen Gesellschaft wäre es ja kein Skandal, dass ein Mann Dinge tut, die man als Skandal begreift. Die Identitätspolitik besteht allerdings darauf, dass die westliche Gesellschaft sexistisch wäre, weil man glaubt, von einem einzelnen Fall auf die Gesellschaft schliessen zur dürfen. Aber eine Gesellschaft, in der Frauen wirklich systematisch in sexistisch betrachtet werden, gibt es diese Skandale gar nicht. Dort wäre es ja normal, die Frau schlecht zu behandeln. Und genau diese Gesellschaft könnte man dann als strukurell sexistisch bezeichnen, gerade weil es dort die Skandale nicht gäbe.  

Skandale sind also nicht schlecht. Im Gegenteil. Sie sind vermutlich notwendig, um an die allgemeinen Standards zu erinnern, wobei man natürlich auch mal fragen sollte, wer der Skandal-Gatekeeper ist. Aber sie sind jedenfalls nicht Ausdruck des strukturellen Sexismus, wie behauptet wird, sondern Ausdruck dessen, dass es eben keinen systematischen Sexismus gibt. Und so ist es ja wohl klar, dass in einer rassistischen Sklavenhaltergesellschaft ein Mord an einem Schwarzen durch einen Polizisten kein Skandal gewesen wäre. Auch das kann er nur in einer Gesellschaft sein, die nicht strukturell rassistisch ist, in der es allerdings rassistisches Verhalten im Einzelfall geben kann. Ich weiss schon, dass ID-Fans das nicht so sehen koennen. Immerhin würde ihnen sonst das Geschäftsmodell wegbrechen. Darum werden sie weiterhin Skandale als Beweis für ihre Weltsicht interpretieren müssen und entsprechend viele produzieren.

Christian Kümpel

Bild: Pixabay