Identitätspolitik im Gesinnungsstaat

Identitätspolitik im Gesinnungsstaat

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Für einen eher liberal denkenden Menschen hat der Staat nicht die Aufgabe, Menschen zu erziehen. Er muss sich vielmehr, was Gesinnungen und Haltungen betrifft, zurücknehmen, und zwar aus grundsätzlichen Erwägungen. Diese sind unter anderem, dass der Staat nicht wissen kann, was moralisch geboten ist. Außerdem neigen Staaten, die sich moralisch aufladen, zu totalitärem Handeln. Die Methoden des Staates sollten daher bestimmt sein von administrativen Erwägungen. Ansonsten überlässt der Staat der Gesellschaft alle Aufgaben, die er nicht zwingend selbst besser erledigt. Dazu gehört unbedingt die Frage, welcher Werte der Einzelne sich verschreibt.

Von so einem Staat sind wir natürlich in der Bundesrepublik meilenweit entfernt. Nicht nur übernimmt der Staat viele Aufgaben, die Private besser durchführen könnten, er versorgt die Gesellschaft auch mit immer mehr Gesinnung. Als ein Beispiel soll hier angeführt werden: Toleranz. Toleranz ist eigentlich Privatsache. Dazu ein Auszug aus einer Mitteilung der Aktion Schulstunde des RBB: „Dem Wesen der Toleranz in der nun dritten Ausgabe der “Aktion Schulstunde” ist auch weiterhin der kleine Philosoph Knietzsche auf der Spur. Er macht sich so seine ganz eigenen Gedanken, weiß aber mit Sicherheit: “Die Welt ist bunt. Was heute fremd ist, ist morgen vertraut und vielleicht das Allerbeste in deinem Leben. Jeder soll jeden so nehmen, wie er ist – das ist Toleranz! Wenn jeder danach leben würde, wäre das Leben viel einfacher.” Natürlich darf und muss man das Thema Toleranz im Unterricht bringen. Aber es ist ein Unterschied, ob man Toleranz erklärt und historisch herleitet oder verordnet. An der Stelle wird es eher verordnet. Oder hat jemand einen Zweifel daran, dass der Schüler der kritisch nachfragt, Probleme bekommt?

Tatsache ist hier wie auch sonst, dass die Schule eine ganz bestimmte Haltung vermitteln will. Mit welchem Recht, fragt man sich allerdings. Auch so etwas wird im Unterricht vorkommen: „Identitätspolitiken spielen auch in der Schule eine wichtige Rolle: Schüler*innen ordnen sich Gemeinschaften zu, spielen mit Identitäten oder erfahren Zuschreibungen aufgrund von angenommenen oder tatsächlichen Gruppenzugehörigkeiten. Dr. Michael Kiefer, Islamwissenschaftler an der Universität Osnabrück, macht in diesem Baustein auf mögliche identitätspolitische Konflikte und Zuschreibungen rund um das Thema Islam aufmerksam. Außerdem stellt er alternative Konzepte vor, die die Konstruktion von Unterschieden vermeiden.“ Mal abgesehen davon, dass man hier wieder den Grundwiderspruch erfährt zwischen Konstruktion und behaupteter Identität, wird so etwas tatsächlich in Deutschland unterrichtet? Leider ja! Auch das postkoloniale Klassenzimmer ist Thema oder auch Sexualität im Sinne des LGBTQ. Anders gesagt: Eine bestimmte Haltung und Ausrichtung sind gefragt. Und diese werden nicht hinterfragt, sondern affirmativ behandelt. Nennen wir es deshalb das Kind beim Namen: Es geht um Indoktrination.

Schule, eine staatlich geprägte Institution, ist also also heute der Ort, wo die Kinder schon die richtige Einstellung für die Gesinnungsgesellschaft erlernen. Was sie nicht lernen sollen: Einstellungen zu hinterfragen. Das ist nichts Neues. So war es auch in der DDR. Der Unterschied zu heute: Diesmal haben wir die richtige Gesinnung. Zumindest wird es von einigen vermutet. Der Staat sollte sich dennoch zurücknehmen mit Moral und Haltungen, und zwar selbst dann, wenn es richtig wäre, dass verordnete Toleranz moralisch geboten ist. Denn so ein Staat wird bei bestimmten Gruppen auf grundsätzliche Ablehnung stoßen, weil ihre Werte missachtet werden. Dem kann dann nur begegnet werden, indem man diese Gruppen zu absoluten Feinden des Staates erklärt. Er muss nun alle, die sich dem Haltungsstaat widersetzen zum Feind erklären. Und so geschieht es ja auch schon in Teilen. Denn der Gesinnungsstaat muss sich immer radikalisieren und Konflikte verschärfen. Er braucht zwingend ein schwarz-weiß-Denken.

Früher wusste man noch, dass der Gesinnungsstaat immer den geistigen Bürgerkrieg vorbereitet. Man hat diese Lektion leider wieder vergessen. Es ist eben zu verlockend, sich auf der moralisch richtigen Seite zu wissen. Und wie es aussieht, besteht wenig Hoffnung, dass man auf dem Weg umkehrt. Denn die vielen Wohlgesinnten, die aus den Unis strömen, können gar nicht anders, als andere mit ihren Einstellungen zu beglücken, wobei jede wahre Liberalität und der liberale Staat auf der Strecke bleibt.

Christian Kümpel

Bild: Pixabay


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