Präsentismus, der Angriff der Gegenwart auf die Vergangenheit

Jüngst hat sich ein amerikanischer Historiker, nämlich James Sweet, in die Nesseln gesetzt. Er meinte in einem Aufsatz, es sei falsch, die Vergangenheit durch die Linse der Gegenwart zu betrachten, https://www.insidehighered.com/news/2022/08/22/white-nationalist-enters-historians-debate-presentism. Das wurde prompt heftig kritisiert. Man lässt sich eben nicht gerne sein Spielzeug wegnehmen.

Die Frage, die sich mir dabei stellt, ist aber nicht, ob man Napoleon kritisieren darf. Von mir aus gerne. Die Frage ist doch eher: Woher kommt überhaupt das Bedürfnis, ständig den Stab über Emanuel Kant, Christopher Columbus oder Churchill zu brechen. Denn Kant wird nun des Rassismus bezichtigt, Columbus wird sozusagen als Zerstörer einer harmonisch geordneten Welt im Westen geframt und Churchill ist jetzt nur noch ein dicker, übler Kolonialist und Alkoholiker, dessen Statuen verhängt werden müssten. So denken unsere “Freunde”, die Identitätskrieger.

Die Antwort, die ich mir gebe, ist leider nicht sehr schmeichelhaft – für die Kritiker. Im Grunde sind Emanuel Kant, Christopher Columbus und Churchill gemessen an uns Normal-Sterblichen Übermenschen. Sie haben etwas gedacht und getan, dass die Welt verändert. Vielleicht aus Sicht mancher nicht zum Besseren. Aber was das Bessere und was das Schlechtere ist, darüber können wir Sterblichen uns kaum ein Urteil erlauben. Dafür gab es übrigens früher eine Instanz. Das war Gott. Er sollte am Ende der Geschichte ein Urteil fällen. Weil manche nun meinen, Sie wären an der Stelle von Gott, nehmen sie sich die Freiheit heraus, diese Größen zu kritisieren und den Stab über sie zu brechen. Doch damit übernehmen sie sich gewaltig.  

Bei den meisten Kritikern der Großen ist es nämlich so, dass es eigentlich egal ist, ob sie leben oder tot sind. Sie werden nicht viel bewegt haben, wenn sie abtreten. Sie sind im Grunde nur die die Echokammern ihrer Ressentiments. Denn wir leben in einer Gesellschaft, die jedem einzelnen bescheinigt, jemand besonderes zu sein, sagen wir fast göttlich. Die Folge ist ein übersteigerter Narzissmus nicht nur bei Prominenten, sondern bei den meisten. Es ist eben nicht leicht, jeden Tag zu hören, man wäre speziell, während man ahnt, das man es nicht ist. Was Narzissten jedoch meist überhaupt nicht vertragen können, dass andere eine größere Bedeutung haben. Daraus erwächst das gute alte Ressentiment. Der Groll, der Ohnmächtigen, die im Grunde betroffen sind über die eigene Bedeutungslosigkeit, die sie aber ständig leugnen müssen. Es ist also der Mix zwischen dem Gefühl, jemand Großes zu sein, und der Tatsache, ein Niemand zu sein, der hier zum Tragen kommt

Was eignet sich besser als die Moral der kleinen Leute und ihre Großmannssucht, um die wahrhaft Großen anzugehen. Man meint, man wäre der Höhepunkt der menschlich-geistig-moralischen Entwicklung. Dabei gehört man zu den Zwergen, wie es so schön heißt, die auf den Schultern von Riesen stehen. Unsere Zwerge stehen allerdings nicht nur auf den Schultern. Sie spucken die Riesen ständig auf den Kopf.

Abschließend noch zur Frage, wie man im Gespräch bleibt. Denn zu dieser postmodernen Kultur der Selbstvergottung gehört schließlich nicht nur das Ressentiment, sondern auch der Dauer-Aufschrei der scheinbar Betroffenen. „Wenn Sie Schwierigkeiten haben, mit jemandem zu kommunizieren, suchen Sie nach Ressentiments. Sie müssen herausfinden, worüber Sie sich ärgern, und es ausdrücken und Ihre Forderungen explizit machen.“ So der Psychologe Fritz Perls. Das ist das passende Rezept für unsere traurige Zeit.

Christian Kümpel

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Leseempfehlung: “The New Puritans” von Andrew Doyle

Andrew Doyle ist ein konservativ-liberaler Journalist und politischer Satiriker aus Nordirland, der die ultrawoke Titania McGrath erschaffen hat. Diese satirische Kunstfigur hat auf Twitter mittlerweile über 700.000 Follower. Im Jahr 2021 trat Doyle GB News bei, um eine wöchentliche Show mit dem Titel “Free Speech Nation” zu moderieren, die ich als Podcast höre. Für mich der beste politische Podcast aller Zeiten. Er gehört zu der großen Gruppe der Homosexuellen, die insbesondere gegenüber dem Trans-Aktivismus sehr kritisch eingestellt sind. Ich bin sehr gespannt auf sein neues Buch “The New Puritans”.
Titanias Twitter-Kommentar dazu: “Anyone who buys this book should be arrested.”

Selbstbestimmungsgesetz: Epic Fail!

Heute hielt ich in Stahnsdorf das erste Mal in meinem Leben eine kurze Rede auf einer Demo. Christian Kümpel hatte für Samstag, den 3.9.22 eine Demonstration gegen das von der Ampel-Koalition geplante Selbstbestimmungsgesetz organisiert.

Ich erwarte natürlich, dass dieses Gesetz in jedem Fall kommen wird. Im Rahmen des gerade Fahrt aufnehmenden sog. “Trans-Hypes” bei Kindern werden durch den geplanten “Geschlechtswechsel durch Sprechakt” v.a. Mädchen mit Genderdysphorie ermutigt werden Pubertätsblocker zu nehmen, die sie für alle Zeiten unfruchtbar machen und vollkommen ungeklärte Langzeitfolgen haben. Das könnte meiner Meinung nach einer der größten Pharma-Skandale aller Zeiten werden. Wir leben in einer freien Gesellschaft und ich wollte mir später nicht vorwerfen, geschwiegen zu haben, auch wenn ich nur vor einer Handvoll Leute sprechen würde.

Prompt mußte ich erleben, wie die uns beobachtende und filmende “Antifa Teltow Kleinmachnow Stahnsdorf” vorgeht: Sie lügt und erfindet Fake News, dass sich die Balken biegen.

Aber alles schön der Reihe nach: Als ich um 10 Uhr auf dem Dorfplatz ankam, war ausser einem Polizeiwagen noch niemand zu sehen. Ich dachte schon, ich könnte wieder gemütlich nach Hause fahren, aber so nach und nach trudelten dann doch so ca. 10 Leute ein. Christian übernahm die erste Rede, in der er auf die auf uns zukommenden Absurditäten dieses Gesetzes einging: die neuen Möglichkeiten für Trans-Frauen (biologische Männer) sich Zugang zu geschützte Frauenbereichen zu verschaffen und die umstrittene, illiberale Praxis der Ordnungsstrafen beim sog. “Misgendern” (wenn man beispielsweise eine Trans-Frau, also einen biologischen Mann mit männlichen Pronomen anredet).

Nun war ich an der Reihe. Ich machte den Anwesenden klar, dass ich diese kleine Ansprache nicht als Arzt halte (da gibt es ganz andere Experten wie z.B. der hier noch häufiger erwähnte Dr. Alexander Korte), sondern als Vater einer 5-jährigen Tochter, die in diesem Trans-Hype-Universum wird aufwachsen müssen. Ich begann mit einer kurzen Zusammenfassung eines Artikels aus der Ärztezeitung, in der Dr. Nicola Zink im Oktober 2018 eine Studie der US-amerikanischen Gesundheits-Forscherin Prof. Lisa Littman vorstellte [-> https://www.aerztezeitung.de/Panorama/Ist-es-jetzt-Mode-transgender-zu-sein-227623.html ]. Littman sieht in den sozialen Medien, dem Fernsehen und den Trans-affirmativen Themen in der Schule eine wesentliche Ursache für das verstärkte Auftreten von der sog. Genderdysphorie (Identifikation mit dem gegenteiligen Geschlecht zum Geburtsgeschlecht). Das massenhafte plötzliche Auftreten von Genderdysphorie meist bei Mädchen in deren Social-Media-Gruppen und Schulklassen nannte sie “Rapid-Onset-Gender-Dysphoria” (schnell einsetzende Genderdysphorie). 

Danach leitete ich über zu dem Aufruf von namhaften deutschen Wissenschaftlern, wie zum Beispiel den schon erwähnten Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Alexander Korte und der Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht (bekannt wegen ihrem zunächst gecancelter HU-Vortrag) die im Juni 2022 eine Abkehr von der ideologischen Betrachtungsweise zum Thema Transsexualität und eine faktenbasiertere Darstellung biologischer Sachverhalte nach dem Stand der Wissenschaft forderten [-> https://www.evaengelken.de/aufruf-schluss-mit-der-falschberichterstattung-des-oeffentlich-rechtlichen-rundfunks/ ]. Die Ärzte und Wissenschaftler werfen dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) vor, dass durch deren Sendungen das Thema “Trans” an Kinder und Jugendliche unhinterfragt herangetragen wird – mit dem Ergebnis, dass sich die Zahl der wegen Geschlechtsdysphorie behandelten Kinder und Jugendlichen in weniger als zehn Jahren verfünfundzwanzigfacht (25!) habe. Dafür verwenden sie den Begriff des sog. “Trans-Hype”.

Während ich noch davon erzählte, fiel mir in ca. 50 Meter Entfernung ein junger Mann mit Hoodie auf, der mich bei meiner Ansprache filmte. Die Antifa hatte sich ja angekündigt – macht sie immer wenn ex-AFD Christian Kümpel in Stahnsdorf irgendetwas veranstaltet (pro-Israel-Kundgebungen etc.) … wer sollte es also auch anders sein, als einer von der Antifa. Aber was sollte man aus dieser Entfernung schon mitkriegen. Selbst meine 5 Meter entfernten Zuhörer rückten irgendwann näher an mich ran, um mich akustisch besser zu verstehen. Was ich dann aber ein paar Stunden später über diese Szene auf der Twitter-Seite von Antifa TKS las brachte mich wirklich zum Lachen:
Antifa TKS >>Jarka fabulierte dann darüber, dass “immer mehr Jugendliche durch die Berichterstattung des ÖRR in den Suizid getrieben würden” und dass “Hier durch den Genderwahnsinn bald alles stirbt”.<<

Es ging um den Trans-Hype. Ich hatte SUIZID in meinem Vortrag mit keinem einzigen Wort erwähnt. Irgendwie war er aber auch niedlich, schlich sich an uns heran wie der junge Winnetou, filmte uns heimlich und dachte wir merken es nicht.

OK in dieser empathischen Stimmung antworte ich dem jungen Aktivisten auf Twitter: >>Hallo, hab Dich gesehen mit Deinem Hoodie auf der Parkbank. Was Du sagst ist 25% korrekt und 75% falsch. Um Suizid ging es nicht. ÖRR-Berichterstattung mitverantwortlich für Trans-Hype. Diesen peinlichen Genderwahnsinn-Satz hast Du erfunden. Lass uns mal auf ein Bier treffen.<< (mein richtigstellender Kommentar ist mittlerweile durch Antifa TKS ausgeblendet / Screenshot vorhanden / habe es Twitter gemeldet. Aber die Antifa ist ja sakrosankt).

Aber zurück zum Vortrag. Während Winnetou also sein Android-Handy mit meinen vermeintlichen Alle-sterben-am-Gender-Wahnsinn-Zitaten traktierte, kam ich zum nächsten Artikel. Diesmal ging es zum feministischen Flaggschiff EMMA. Chantal Louis bezeichnete Ende April dieses Jahres TRANS als DEN GROSSEN BLUFF [-> https://www.emma.de/artikel/die-leitlinien-und-was-dahinter-steckt-339399 ]. Denn angeblich gehe es bei dem im Selbstbestimmungsgesetz geplanten „Geschlechtswechsel ab 14“ nur um eine Namens- und Geschlechtsstatusänderung in der Verwaltung und nicht um medizinische Maßnahmen. Allerdings würden schon heute Kinder ab 13 Jahren mit Hormonen behandelt und es sähe ganz so aus, dass bei einer Novellierung der medizinischen Leitlinien die Altersgrenzen dafür bald ganz fallen würden. Chantal Louis fragt: “Warum sagen die PolitikerInnen darüber nicht die Wahrheit?”

In diesem Artikel wurde darauf hingewiesen, das in vielen anderen europäischen Ländern wie z.B. Großbritannien und Schweden die Behandlung mit Pubertätsblockern und die Gabe von Geschlechtshormonen wie Testosteron stark reduziert bzw. ganz eingestellt wurde. Aufgrund der teilweise schweren Nebenwirkungen (z.B. Minderung der Knochendichte, Unfruchtbarkeit) und unklaren Langzeitfolgen z.B. für die Hirnentwicklung war man skeptisch geworden.

Auf den Tavistock-Skandal, eine Londoner Klinik, in der Kindern nicht evidenzbasiert nahezu unkontrolliert Hormone gegeben wurden und die daher von der Regierung geschlossen wird ging ich in diesem Zusammenhang ebenfalls ein [-> https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/tavistock-schliessung-uk/ ].

Das Trans-Narrativ wird sich meiner Meinung nach mit Popkultur und Jugendkultur verbinden und erst noch so richtig an Fahrt zulegen. Wie hieß es damals in der Zeit der Hippie-Revolution: Sex & Drugs & Rock’n’Roll … Haben sich die Jungs in meiner Generation noch wie Robert Smith von The Cure die Augen schwarz geschminkt um so cool zu sein, werden die Bands und Insta-Helden von heute zeigen, wie cool es ist trans zu sein. Und was ist mit Drugs? Die neuen Mode-Drogen könnten Geschlechts-Hormone werden. Ist der Psychotherapeut zu kritisch und dauert es den Kids zu lange mit dessen Indikationsstellung zur Pubertätsblocker-Therapie, dann holen sie sich das Zeug eben auf dem Schwarzmarkt. Für Drogenlabors nur eine Änderung der Produktionsworkflows ….

Zum Schluss folgte noch ein kleiner Exkurs in die Spaltungsenergie, welcher in der Identitätspolitik liegt. Als zugrunde liegende Weltanschauung der Identitätspolitik (Transgender, Postkolonialismus, Critical Race-Theory etc.) gilt die Kritische Theorie und die Postmoderne Philosophie. Die Postmoderne hat sich vom Universalismus, den allgemeingültige Normen und der für alle Gruppen gültigen Wahrheit verabschiedet. Jede einzelne Minderheit hat ihre eigene Wahrheit und interne Logik. Dies soll zwar für jede Gruppe respektiert werden, aber die starken Widersprüche führen zu extremen Spannungen und Spaltungen. Dies erklärt im Falle der Transgender-Weltanschauung, daß sich zuvor solidarische Minderheiten im linken Spektrum plötzlich spinnefeind werden: Trans-Aktivisten bringen z.B. Feministinnen (Stichwort TERF, J.K Rowling) gegen sich auf. Von Homosexuelle Männern und lesbischen Frauen, wird verlangt, daß sie sich auch mit gegengeschlechtlichen Trans-Menschen daten. Wenn eine lesbische Frau sich nicht mit einer Transfrau, also einem biologischen Mann daten will wird sie plötzlich als transphob ausgegrenzt. Ich schloss meinen kleinen Vortrag mit einem Podcast-Tipp ab: Einer meiner Lieblings-Genderkritiker ist der homosexuelle britischer Intellektuelle Andrew Doyle [-> https://www.gbnews.uk/shows/free-speech-nation ].


Da bei mir und Christian die Gewaltfreiheit im gesellschaftlichen Diskurs einen hohen Stellenwert hat, haben wir unsere Veranstaltung mit einer Schweigeminute für Malte C. abgeschlossen. Der Trans-Mann wurde durch den Angriff eines russischen Asylbewerbers auf dem CSD in Münster so schwer verletzt, dass er daran verstarb.

… und hier sieht man, was die Antifa zu unserer Schweigeminute behauptet:
>>Kümpel beendete dann nach 15 Minuten die Versammlung mit einer kruden vermeintlichen Schweigeminute für Deutschland. Nicht etwa für den Transmann, der gestern nach einem Angriff beim CSD in Münster seinen Verletzungen erlag.<<  [inzwischen nach einem Kommentar von mir durch Antifa TKS umgeschrieben / Screenshots vorhanden]

Ist der Ruf erst ruiniert…

Manche können ihrem Schicksal nicht entkommen. Auch nicht die Rassisten, die glaubten, sie wären keine. Wenn Sie nun allerdings meinen, Rassisten wären Personen, die glaubten, sie seien anderen wegen äußerlicher Merkmale überlegen, so irren Sie. Rassisten sind erst mal alle, die weiß sind. Woran liegt es, dass sie Rassisten sind? Eben an der Hautfarbe. Und natürlich an dem strukturellen Rassismus. Und an dem Geld.

„Inspiriert von der „Critical Race Theory“ ist im Extremfall jeder ein Rassist, wenn er einer Gruppe angehört, die im Mittel sozioökonomisch bessergestellt ist als eine nicht-weiße oder zugewanderte Minderheit.“, so Philipp Hübl. Das macht also die meisten von uns zu Rassisten. Allerdings nicht arme weiße Deutsche. Denn die sind ja nicht bessergestellt. Dass sie vielleicht AfD oder gar NPD wählen macht sie nicht zu strukturellen Rassisten. Denn nur wenn Geld zur Hautfarbe kommt kann man von strukturellen Rassismus sprechen. Rassisten sind also im Zweifelsfall keine armen weißen Deutsche. Nur die anderen, die mit Geld.

Natürlich kann man entsprechende Seminar besuchen, um dann seine strukturelle Schuld abzuarbeiten, am besten die teuren, dann wirkt der Ablass besser. Allerdings wird man schnell Gründe finden, warum ein Seminar nicht reicht. Da muss man vermutlich ein Paket buchen, so wie auch sonst bei den Psycho-Seminaren. Das Ganze läuft also auf ein Seminar-Abo hinaus. Eventuelle sogar ein Seminar-Dauerabo. Gut für die Anbieter. Doch der Rassismus bleibt wie eine Erblast bestehen. Denn man hat ja immer noch etwas Geld, wenn auch nun weniger, und ist weiterhin weiß.

Aber wenn man es nun sowieso nicht ändern kann, auch nicht durch Seminare, die den Anbieter reich machen? Könnte man da nicht auf die Idee kommen, es auch mal zu akzeptieren, dass man strukureller Rassist ist. Dann bin ich halt einer, sagt man sich. Und man erkennt plötzlich, wie frei man wird, wenn man sich dies zugesteht. Man kann übrigens auch damit leben, unkeusche Gedanken zu haben. Und es lebt sich im Grunde auch kommod, wenn der Vorwurf kommt als Mann grundsätzlich ein Frauenunterdrücker zu sein. Und dann bemerkt man: Schlimm wird es doch erst, wenn man sich gegen den Vorwurf wehrt.

Wer also strukturell rassistisch, frauenfeindlich, unkeusch und dazu auch noch reich ist, der kann entweder in moralische Panik verfallen. Er wird dann erpressbar und muss Seminare besuchen und rumheucheln. Oder er kann einfach erkennen: Ich bin in diesem Land sowieso der Bösewicht. Aus der Nummer komme ich nicht raus. Dieser Gedanke ist vermutlich der Schlüssel zur Freiheit. Also wehren wir uns nicht mehr. Denn wer sich verteidigt, ist schuldig. Besser ist es wissend und befreit zu lächeln. Denn es gibt Schlimmeres als ein struktureller Rassist zu sein. Zum Beispiel ein Feigling.

Christian Kümpel

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Der Neue amerikanische Putinismus der AltRight

Dass ich als rechter proamerikanischer Evangelikaler sowas mal schreiben werde, hätte ich nie geglaubt: In den USA haben die – ich nenne sie mal – “gnostischen” Traditionalisten” [-> https://de.wikipedia.org/wiki/Traditionalismus_(Philosophie) ] die Alt-Right-Bewegung übernommen. Sie schmelzen dort aus amerikanischen Isolationismus, Trumpismus, Rechtsevangelikalismus, Rechtsesoterik, Verschwörungstheorien und dem guten alten Anti-Kulturmarxismus gerade einen Art amerikanischen Putinismus mit Moskau als dem neuen Jerusalem.

Der Fernsehprediger dieser neuen rechten Erweckungungsbewegung ist Tucker Carlson von Fox News. Aussenpolitischer Sprecher: John J. Mearsheimer.

Ja es ist letzlich eine Erweckungsbewegung ein rechter Wokeism … und es ist nur eine kleine Schar die rechten UND linken Wokeismus auf dem Schirm hat.

Eine kleine Schar und eine große rußlandimmune Nation: POLEN.

Warum verklärt Jordan Peterson Putin?

Dieses Video macht mich fassungslos:
Jordan Peterson, mein alter Held ist nicht nur aussenpolitisch auf den prorussischen Mearsheimer-Kurs eingeschwenkt. Er sieht den Krieg in der Ukraine mittlerweile als innereuropäischen Bürgerkrieg in dem Rußland [zusammen mit Ungarn und POLEN (sic!)] für eine schon von Dostojewki prophezeite Renaissance des Christentums gegen einen degenerierten woken Westen kämpft. Putin wird als gläubiger Christ gefeiert und die Tatsache, dass der orthodox-bolschewistische Okkultist Alexander Dugin sein Berater ist sogar als gewisses Qualitätsurteil dargestellt.
Wie kann ein Mann wie Jordan Peterson, der so viel intellektuelle Stärke im Kampf gegen den Wokeismus bewiesen hat hier so daneben liegen:

  1. Rußland ist kein Teil von Europa, geschweige denn Teil eines innereuropäischen Bürgerkrieges, wenn man von seiner Desinformationskampagnen in den europäischen Alternativmedien einmal absieht.
  2. Es gibt keine osteuropäisch-russische Allianz und schon gar keine zwischen Rußland und POLEN!
  3. Rußland ist keine Christliche Nation. Nur 6% der Russen gehen zum Gottesdienst. Rußland hat laut UN „die höchste Abtreibungsrate der Welt“ und noch höhere Scheidungs- und HIV-Raten als Europa. Nicht zu vergessen die zweithöchste Rate an alkoholbedingten Todesfällen weltweit. (Quelle: Szymon Pękala)

Gerade als Evangelikaler mit einer gewissen Gabe der Geistunterscheidung bin ich ob der ganzen vermeintlichen chritlichen Vitalisierung durch Rußland gar nicht glücklich. Meine Vermutung ist nämlich, dass Jordan Peterson nicht am eigentlichen Christentum interessiert ist sonden ebenso wie der Russe Aleksandr Dugin und der AltRight-Papst Steve Bannon ein Anhänger des sog. “Traditionalismus” ist.

Und wir Klassische Liberale, Konservative und Evangelikale müssen diesen rechtsesoterischen “Traditionalismus” genauso ernst nehmen wie die woke Identitätspolitik

Meine These lautet: Die Zukunft der Neuen Rechten wird spirituell sein.

Was ist nun dieser “Traditionalismus”? Was sich nach biederem Schützenverein und bayerischen Trachtengruppen anhört, ist in Wirklichkeit eine Weltanschauung, die die Moderne haßt und auf René Guénon sowie Julius Evola zurückgeht. Diese “Philosophia perennis” wurzelt in der Essenz alten esoterischen Wissens, Theosophie, Schamanismus, neuem Heidentum und Religionen wie orthodoxem und katholischen Christentum, Sufi-Islam und vor allen Dingen dem Hinduismus mit seiner zyklischen Geschichtsvorstellung. Wer von uns hätte das gedacht: Es gibt einen religiös-reaktionären Synkretismus, den wir genauso bekämpfen müssen wie den von links.

https://de.wikipedia.org/wiki/Traditionalismus_(Philosophie)

Geschlechter-Aneignung muss aufhören

Kulturelle Aneignung ist in aller Munde. Für diejenigen, die mit dem Begriff dennoch nichts anzufangen wissen: „Kulturelle Aneignung ist die Übernahme von kulturellen Ausdrucksformen oder Artefakten, Geschichte und Wissensformen von Trägern einer anderen Kultur oder Identität bezeichnet. Im engeren Sinn wird als „kulturelle Aneignung“ angesehen, wenn Träger einer „dominanteren Kultur“ Kulturelemente einer „Minderheitskultur“ übernehmen und sie ohne Genehmigung, Anerkennung oder Entschädigung in einen anderen Kontext stellen. Die ethische Dimension kultureller Aneignung wird in der Regel nur dann thematisiert, wenn die übernommenen Kulturelemente einer Minderheit angehören, die als sozial, politisch, wirtschaftlich oder militärisch benachteiligt gilt.“ So Wikipedia. Beispiele für kulturelle Aneignung gibt es zuhauf. Kinder, die sich als Indianer verkleiden, gehören dazu. Für Deutschland hat ebenfalls Wikipedia die „schlimmsten“ Fälle aufgelistet. Der Kabarettist Rainald Grebe trägt bei Auftritten in Anspielung auf Karl May ein Warbonnet. Im März 2022 wurde die weiße Musikerin Ronja Maltzahn aufgrund ihrer Dreadlocks von der Ortsgruppe Hannover der Klima-Aktivisten von Fridays for Future ausgeladen. Der Ravensburger Verlag nimmt im August 2022 zwei Kinder- und Jugendbücher aus dem Programm. Die „Winnetou“-Titel erhielten auf Social Media Plattformen wie Instagram negative Rückmeldungen.

Wenn man wollte, gäbe es noch viel zu kritisieren. Träger von Palästinensertüchern, Irokesen-Frisuren und Schottenröcken. Was jedoch seltsam ist: Warum wird kulturelle Aneignung kritisiert, aber keine Geschlechteraneignung? Diese Form der Aneignung, für alle die im Bereich Identitätspolitik noch neu sind, bedeutet, dass zum Beispiel ein Mann einfach Insignien der Frau übernimmt. Frauen sind, das ist gerade bei Linken unbestritten, jahrtausendelang unterdrückt worden. Sie waren in der Vergangenheit leicht an ihren Haaren und an der Gesichtsbemalung zu erkennen. Das machte ihre Identität aus. Damit betonten sie aber auch ihren Status in der Gesellschaft und markierten das Geschlechterverhältnis. Und nun nehmen sich Männer einfach heraus, diese Insignien für sich zu nutzen und Camouflage zu betreiben?

Seit jüngster Zeit gibt es sogar immer mehr Männer, die sich diese Zeichen aneignen, ohne dass Frauen gefragt würden. Mehr noch: Sie steigern sich in diese Rollen hinein, wie zum Beispiel Tesa Ganserer, der auch prompt von der Frauenquote profitiert. Das erinnert an Weiße, die sich für Farbige halten, um eine Opferrolle übernehmen zu können. Jessica Krug aus den USA ist so ein Fall. Für sie gab es dann als „schwarze Professorin“ viel Aufmerksamkeit. Zu Recht wurde das kritisiert.

Doch schlimmer ist es noch, dass Männer sich der Geschlechter-Aneignung erfreuen, sogar glauben sie wären Frauen und dafür auch noch gefeiert werden. Dass Frauen hier misstrauisch werden, ist kein Wunder. Denn wenn es sich nicht um einen Fetisch handelt, der als solcher dann auch benannt werden sollte, weil man sich gerne im BH sieht, ist es doch so, dass Männer, die sich als Frauen ausgeben, sich so aus ihrer Verantwortung als Unterdrücker stehlen. In jedem Fall schmälern sie das Leid, dass Frauen erlitten haben. Ja sie machen einen Witz daraus. Dass die Linken dies mitmachen, zeigt das auf der falschen Seite stehen, nämlich der der Männer, obwohl es ihnen doch angeblich um die Unterdrückten dieser Erde ginge, zumindest aber um Minderheiten. Die richtige Seite kann so gesehen nur die der Frauen sein. Ihre Geschlechter-Identität zu achten müsste uns Männern Gesetz sein. Es muss also grundsätzlich gefragt werden, ob sich Männer einfach die Insignien der Frauen aneignen dürfen. Ich denken nein. Denn alles andere wäre Identitätsdiebstahl und damit Teufelszeug.

Christian Kümpel

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Die Macht der Fotos

In Berlin, der Stadt der vielen Möglichkeiten, hat laut FAZ der Schauspieler und Fotograf Hanns Zischler in einem Winkel des Ethnologischen Museum Ablichtungen entdeckt. Darauf unter anderem gezeigt werden abgetrennte Köpfe von Afrikanern. Vermutlich wurden die Abgebildeten von deutschen Kolonialtruppen getötet. Da vor 130 Jahren die „anthropologischen Verhältnisse“ Afrikas auch in Berlin interessierten, schickte man afrikanische Köpfe nach Berlin, die in Formalin eingelegt wurden. Die Fotos entstanden dann wohl in diesem Zusammenhang. Dass solche Köpfe heute nicht mehr öffentlich gezeigt werden sollten, geschenkt.

Aber auch die Fotos werden nun nicht mehr ohne Weiteres präsentiert, sondern verdeckt. Lediglich die Beschriftung der Bilder ist noch erkennbar. In dem Beitrag der FAZ wird der Wissenschaftlicher Holger Stoecker, der sich mit den Fotos beschäftigt hat, folgendermaßen zitiert: „Auch Bilder können bestattet werden.“ Soll heißen: Wir können nur noch den Grabstein lesen. Der Rest bleibt verborgen. Die üblichen Satzbausteine folgen: Die Aufnahmen seien mehr als ein referenzloses Gebilde. Die Fotos bräuchten einen diskursiven Rahmen.

Dass die Fotos erklärungsbedürftig sind, wer wollte das bestreiten? Doch es wird Scheu ins Feld geführt als Begründung dafür, dass man die Fotos nicht zeigt. Die ist wohl eher unwissenschaftlich. Wissenschaftlicher schauen nämlich genauer hin. Sie sind dabei vor allem nicht scheu. Vollends merkwürdig wird es aber, wenn hier von Bilderbestattungen gesprochen wird.

Hier hat man, nicht zum ersten Mal, das Gefühl, die Postmoderne schließt sich mit magischen Praktiken kurz. Das Foto ist mehr als ein Foto, wird behauptet. Es zu zeigen,, das beschwört etwas Dunkles herauf, das durch ein Ritual diskursiv gebannt werden muss. Reichte es noch vor ein paar Jahren, einfach darauf hinzuweisen, dass man keine Gefühle verletzen möchte, weshalb man eine Triggerwarnung beifügte, wenn man etwas zeigte, das nicht für jeden war, müssen heute noch weitere Praktiken dazukommen. So will man wohl die Vergangenheit bannen und sie gleichzeitig lebendig halten, nämlich indem man die Fotos verdeckt.

Man kann der Moderne vieles vorwerfen. Zum Beispiel ihren naiven Glauben an den Fortschritt. Aber die Postmoderne scheint, so betrachtet, die Moderne nicht zu überwinden. Vielmehr führt sie zurück in die Vormoderne. Wer eher profan gestrickt ist, wird wohl festhalten: Abgebildet sind abgetrennte Köpfe von Menschen. Zu einer bestimmten Zeit glaubte man, mit den Fotos erfülle man wissenschaftliche Arbeit. Heute glaubt man das nicht mehr. Damit hätte es sich. Heute ist man dagegen überzeugt, wissenschaftlich wäre es, Fotos zu bestatten, um das Dunkle zu bannen und der Scheu zu entsprechen. Doch dabei vergisst man wohl, den tieferen Sinn von Bestattungen. Man möchte nicht, dass die Toten zurückkommen und begräbt sie deshalb. Und damit nichts schief geht, beschriftet man das Grab. Denn man möchte vor allem wissen, wo sie liegen, weil von ihnen durchaus Gefahr ausgeht. Irrationaler geht es allerdings kaum.

Christian Kümpel

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Die Wut-Sucht

Wut ist auch nur eine Sucht. Ich zumindest suche immer wieder im Internet Nachrichten, die mich triggern, wie man so schön sagt, damit ich schön wütend werde. Triggern heißt, dass die Meldungen etwas in mir auslösen, zum Beispiel Verärgerung oder Zorn. Aber auch Hohn, Verachtung und ähnliche Reaktionen kommen vor. Das geschieht bei mir zum Beispiel, wenn ich lese, dass bei Audi gegendert wird. Oder dass mal wieder jemand gecancelt wurde. Doch wie kommt es, dass ich, statt diese News zu vermeiden, sie stattdessen ständig nachfrage? Immerhin ist doch Wut angeblich kein gutes Gefühl. Da geht es mir genau so wie Linken und Linksliberalen. Denn auch sie lassen sich mit Vergnügen in Rage bringen. Zum Beispiel wenn jemand Zigeunerschnitzel sagt. Doch nochmal: Warum suchen wir alle Meldungen, die sich mit Gendern, LGTBQ und anderen Dingen auseinandersetzen, wenn sie uns so aufregen?

Die Antwort ist, Wut spricht das limbische System an, wo die Adrenalin-Ausschüttung stattfindet. Darüber hinaus kann Wut so ähnlichen zu einem High führen, so wie gefährliche Aktivitäten, zum Beispiel Felsklettern, Drogenkonsum oder hohe Geldeinsätze beim Spielen. In allen Fällen werden Dopamine ausgeschüttet. Das sind bekanntermaßen Glückshormone. Und so wird Wut bald ins Belohnungssystem eingespeist. Und irgendwann fangen wir an, süchtig nach Wut zu werden. Dann müssen wir unseren bald unseren Dealer fragen, ob er noch Stoff für uns hat, wenn die Wut nachlässt.

Natürlich helfen uns dann die Medien, damit uns das Dopamin nicht ausgeht. Facebook, Twitter und Co leben auch von unserer Wut. Wir selbst tun natürlich auch unseren Teil, die Sucht zu fördern, indem wir die Medien durch Aufmerksamkeit belohnen, was wiederum das System füttert. Es ist eben auch hier das gute alte System von Angebot und Nachfrage.

Doch auch wenn es Weinläden gibt, heißt es ja noch lange nicht, dass man das ganze Zeug im Geschäft auf einmal trinken muss. Vielmehr sollte gelten: Ein Glas Wein pro Tag ist in Ordnung. Das kann man genießen. Aber wenn man anfängt, nur noch den Wut-Kick zu suchen, verliert man sich. Und so kann man am der Stelle durchaus Yoda von Star Wars zitieren: „Zorn, Furcht, Aggressivität. Die dunklen Seiten der Macht sie sind. Besitz ergreifen sie leicht von dir.“ Wer also Herr im Haus der Gefühle bleiben will, der sollte daher darauf achten, sich nicht zu sehr der Sucht hinzugeben. Auch nicht der Wut-Sucht.

Christian Kümpel

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Don´t mention the N-Word

Sarah Kuttner konnte wohl nicht anders. Sie wissen schon. Hier der Bericht des RND: „Kuttner, Bauerfeind und Hielscher unterhielten sich in der kürzlich veröffentlichten Folge unter anderem über das Verbot von Worten im deutschen Sprachgebrauch. Kuttner sagte in diesem Zusammenhang, sie sei generell kein Fan von Worten, die man nicht mehr sagen darf. Natürlich wolle sie damit nicht Menschen aktiv verletzten, jedoch empfinde die 43-Jährige es als „superschwierig“, dass man Begriffe wie etwa das N-Wort nicht mehr verwenden darf. Dabei reproduzierte sie den Begriff mehrfach. In der veröffentlichten Folge wurde dieser zwar durch einen Piepton unkenntlich gemacht, im Zusammenhang wird aber deutlich, dass die frühere Viva-Moderatorin das N-Wort mehrfach reproduziert hatte – was entsprechend große Kritik in den sozialen Medien auslöste.“

Darauf ging es so weiter, wie es immer weitergeht in diesem Twitterland. Empörung, Entschuldigung, Noch mehr Empörung. Langweilig. Viel interessanter ist, zu erfahren, warum wir so gerne Wörter benutzen, die verboten sind. So wie es Kuttner tat. Zunächst einmal gibt es die Tabus. Zum Beispiel die Sprachtabus. Das sagt man nicht, heißt es. Sie sind die Grundvoraussetzungen. Tabus müssen übrigens nichts Schlechtes sein. Immerhin finden wir alle, dass man nun nicht unbedingt alles sagen muss, was man denkt. Es ist auf jeden Fall erst mal nicht schlecht, dass man nicht überall irgendwelche Sachen sagt, die andere verletzen. Doch das Problem ist: Wer bestimmt, was verletzt? Du oder ich? Oder wir alle?

Davon abgesehen, werden Tabus immer wieder übertreten. Zum einen, weil man nicht weiß, dass es dieses Tabu gibt. Dann spricht man von einem Fauxpas. Darauf kann sich Kuttner aber kaum berufen. Sie wusste genau, was sie da sagte.

Dann gibt es diese Obsession mit Tabus. Sagt man jemand, dass er eine Sache nicht denken darf, dann sorgt man mit Sicherheit dafür, dass er ständig daran denkt. Und endlich vielleicht sogar ausspricht. Vielleicht war es das bei Kuttner? Schließlich sind Tabus auch interessant, weil man so herrlich provozieren kann, wenn man sie bricht. Anders gesagt: Man nimmt sich die Macht zurück, die einem genommen wurde. Man kennt das ja von Kindern. Wenn man ihnen das K-Wort, dann werden sie es lustvoll immer wieder herausschreien. Das K-Wort steht hier für das, was man in der Toilette versenkt.

Ja, es geht eben fast immer um Macht. Und wenn jemand diese eingrenzen will, dann werden die Grenzen getestet. So lautet das ewige Gesetz. Ging es Kuttner darum? Jedenfalls hat sie versucht, der Freiheit das Wort zu reden, und musste lernen, dass die Twitter-Gemeinde sich die Herrschaft nicht nehmen lässt. Kuttner hat dabei mit offenem Visier gestritten. Das war ehrenhaft, aber meiner Meinung nach ein Fehler. Denn wenn man ein Tabu aushebeln und es gleichzeitig bestehen lassen will, dann am besten mit Ironie. In eher repressiven Gesellschaften das Mittel der Wahl. Bei Ironie kommt man einem nicht so schnell auf die Schliche. Sie hätte zum Beispiel sagen können: “Das Wort Neger kommt nicht über meine Lippen.” Schwupps hätte sich Freiheiten genommen und gleichzeitig das Tabu bestehen lassen. Die Lacher hätte sie dabei vermutlich auch auf ihrer Seite gehabt. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass man sich befreit fühlt.

Christian Kümpel

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