Wein und Wahn

Die Bild-Zeitung meldet: Die rheinland-pfälzische Familienministerin Katharina Binz (Grüne) startet einen „QueerWein“-Wettbewerb. Die Initiative richtet sich an lesbische, schwule, bisexuelle, intergeschlechtliche Winzer aus Rheinland-Pfalz. Bewerben können sich Weingüter, bei denen Nicht-Heterosexuelle „in verantwortlicher Position sind“. Man wolle 500 Flaschen aufkaufen, und Gästen im Land schenken.

Die Frage ist sicherlich erlaubt, was man mit so einem Wettbewerb bezweckt. Will man mehr Aufmerksamkeit für schwule Winzer? Dann wird es schwer. Denn bis jetzt hat sich noch niemand gemeldet. Wünscht man zu beweisen, dass auch lesbische Weingüterbesitzer erlesene Qualität herstellen können? Das ist eigentlich nie bezweifelt worden. Soll Krövers Nacktarsch – eine Großlage an der Mosel – um andere anzügliche Namen ergänzt werden. Fahnenschwinger oder Oppenheimer Sackträger sind allerdings schon im Umlauf. Braucht man dafür also einen Wettbewerb? Oder geht es einfach nur darum zu zeigen, dass man als Grüner überall das Thema Gender verankern kann? Das könnte hinhauen. Als Grüner ist man ja quasi hauptamtlich verpflichtet, das Thema ständig aufs Tapet zu bringen. Dann wäre bald auch der schwule Müllwerker des Jahres oder der Monat der lesbischen Lehrerinnen fällig. Bald verschwände der Funktionsträger hinter der sexuellen Orientierung.

Wer da nun meint, das Ganze erinnere an einen Wahn, der liegt vermutlich nicht ganz falsch. Denn wo überall nur noch queeres Leben gesehen wird, da spricht man von Obsession. Und wer einmal der Obsession erliegt, dem ist nur noch schwer zu helfen.

Christian Kümpel
Bild: Pixybay

Gehört LGBTQ die Zukunft?

Der Anteil der sich als Schwule, Lesben, Bi- oder Transsexuelle bekennenden Erwachsenen in den USA erreicht jedes Jahr neue Rekorde. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup ermittelt, dass nun über sieben Prozent der erwachsenen Personen sich selbst als lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell bezeichnen. Das wäre eine Verdoppelung im Vergleich zu 2012. Sollte die Entwicklung so weiter gehen, dann kann man davon ausgehen, dass im Jahre 2030 bereits über zehn Prozent der Einwohner schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell sind. Interessantes Detail: Besonders junge Menschen werden immer diverser. Doch stimmt das wirklich?

Man sollte diese Informationen zumindest hinterfragen. Denn bemerkenswert daran ist, dass sich zunächst einmal die meisten als bisexuell outen, nämlich fast 60 Prozent. Bisexualität muss man nicht groß beweisen. Wenn eine Frau mit einem Mann zusammen ist, kann sie ja behaupten, dass sie auch Frauen attraktiv findet, ohne dass das nun Folgen für ihr Liebesleben hätte. Manche glauben, dass wäre dann schon so etwas wie Bisexualität.

Und dann gibt es ja auch den In-Faktor. Weil LGBTQ eben nicht, wie einig behaupten, stigmatisiert wird, sondern unter jungen Leuten als cool gilt, wird es umso attraktiver sich nach außen als schwul darzustellen. Man wird sozusagen gleich viel interessanter, wenn man nicht heterosexuell ist. Hierzu passt auch, dass Distinktions- und Individualitätsgewinne immer schon durch Bekenntnis zur sexuellen Präferenz herzustellen waren. Erinnert sei hier nur an Don Juan oder Mae West. Heute ist es nur umgekehrt.

Nicht verschweigen darf man natürlich auch, dass in Umfragen häufig gelogen wird. Schon der Spiegel hat festgestellt: „Jüngere Menschen prahlen mit übertriebenem Konsum, ältere dagegen versuchen, ihr Trinkverhalten zu verharmlosen.“ Ähnlich dürfte es sich auch hier verhalten.

Zu bedenken ist auch Folgendes: Wenn Homosexualität auch nicht genetisch festgelegt ist, so kann man sich seine sexuelle Präferenz nicht so einfach aussuchen. Anders gesagt: Es gibt Faktoren, die diese Präferenz bestimmen und diese Faktoren haben sich vermutlich seit dem Jahre 1980 nicht geändert. Daher wird es kaum mehr Homosexuelle geben als vor 40 Jahren. Man kann also fast darauf wetten, dass es sich bei dem Anstieg um ein soziales Phänomen handelt. Das erinnert deshalb an eine Modekrankheit im 19. Jahrhundert.

Damals war die Diagnose Hysterie bei Frauen weit verbreitet, während man heute davon gar nichts mehr hört. Zu der Zeit haben Ärzte weibliche Beschwerden wie Nervosität, Schlafstörungen oder Atemnot darauf zurückgeführt, dass die Gebärmutter (Hystéra) im Körper der Patientin aufsteigen und letztlich zur Erstickung führen würde. Daraufhin, so erklärt der Medizinhistoriker Michael Stolberg, hätten viele Frauen sich mit dieser Diagnose identifiziert und vermeintlich am eigenen Körper gespürt, „wie das Organ ihnen den Hals hinaufwandert“. Anders gesagt: Wenn man nur lange genug in sich hineinhört, wird man den Schwulen in sich unfehlbar entdecken. Verbuchen wir daher das Ganze als Modeerscheinung. Von der Mode sagte Freifrau von Ebner-Eschenbach: Sobald eine Mode allgemein geworden ist, hat sie sich überlebt. So wie es aussieht, dürften wir den Punkt bald erreicht haben.

Christian Kümpel

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Bin ich, was ich fühle?

AfD-Politikerin Beatrix von Storch hat in der Bundestagsdebatte zum Internationalen Frauentag den Grünen-Bundestagsabgeordneten, Tessa Ganserer, als Mann bezeichnet und ihn bei seinem Geburtsnamen, Markus Ganserer, genannt. Sie habe nicht dagegen, dass Ganserer sich wie eine Frau kleidet. Allerdings bleibe er ein Mann. Darauf gab es von den anderen Parteien harsche Kritik, was Frau von Storch vermutlich in die Karten spielt. Es fielen Begriffe wie abscheulich, homophob und menschenverachtend.

Ganserer selbst nimmt für sich Transidentität in Anspruch. Das schließe Menschen ein, die keine “chirurgische genitale Geschlechtsangleichung” in Anspruch nehmen. Anders gesagt: Er ist der Ansicht, man könne sein Geschlecht dadurch ändern, dass man sich als Frau fühlt.

Hat er Recht? Hier geht es um drei Fragen, die beantwortet werden müssen, um das zu ermitteln. Zunächst einmal wäre zu klären, was ein Mann ist. Dann müsste man klären, ob ein Mann allein durch Willenserklärung etwas anderes sein kann als ein Mann. Schließlich wäre zu klären, ob die Meinungsfreiheit auch die Meinung abdeckt, dass eine Person, die geschlechtlich ein Mann ist, auch als Mann bezeichnet werden darf.

Wikipedia definiert Mann folgendermaßen: “Die Entwicklung des biologischen Geschlechts ist genetisch bedingt durch ein Chromosomenpaar XY, wobei vor allem durch das Y-Chromosom sowie das männliche Sexualhormon Testosteron die Entwicklung männlicher primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale gesteuert wird. Männer produzieren Spermien, mit denen Eizellen befruchtet werden können. Sie sind im Gegensatz zu Frauen mit typischer genetischer Entwicklung in keiner Phase ihres Lebens in der Lage, schwanger zu werden. Zudem gibt es transgender Männer, deren Geschlechtsidentität von dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht abweicht…“ Man spricht also von Männern, die sich anders fühlen. Das widerspricht nicht dem, was von Storch sagt. Objektiv ist Ganserer ein Mann.

Und wie sieht es mit dem Willen aus? Kann der Wille Tatsachen ändern? Leonardo da Vinci sagte einst: Wer nicht kann, was er will, muss wollen, was er kann. Denn das zu wollen, was er nicht kann, wäre töricht. Soll heißen, dass der Wille begrenzt ist auf das, was möglich ist. Innerhalb dieser Grenzen sind wir frei. So kann man sich wünschen, ein Baum zu sein. Es aber ernsthaft zu tun, das wäre töricht. Frau Ganserer darf natürlich durchaus töricht sein. Hier aber auf den Willen von Ganserer abzuheben, hieße, uns dazu zu verdammen, den Irrsinn nicht als solchen benennen zu dürfen.

Natürlich kann man hier einwenden, dass der Subjektivismus das Maß aller Dinge sei. Hierzu schreibt Wikipedia: „Der individuale Subjektivismus erblickt im Einzelnen Individuum sowie seinem individuellen Bewusstsein das Maß aller Erkenntnis. Die individuelle Wahrnehmung und die individuellen Interessen des jeweiligen Subjektes bestimmen seine Realität, welche schon dadurch notwendig eine relative sei. Jedes Subjekt nehme die Außenwelt auf seine eigene Weise wahr.“ Demnach kann Ganserer durchaus meinen, er wäre eine Frau. Allerdings kann von Storch auch das Gegenteil meinen. Jeder bleibt in seiner Welt gefangen, weil man meint, es gebe keine Realität. Das mag man so sehen, kann jedoch nicht gegen von Storch verwendet werden.

Schließlich ist dann noch die Frage zu klären, wer darüber bestimmt, wie man jemanden anspricht. Ich kann mir das zutrauliche Du verbeten. Allerdings wäre es heutzutage kaum mehr als Beleidung anzusehen, wenn man mich so anspräche. Aber kann ich auch jemand verbieten, mich als Mann anzusprechen, wenn ich mich als Frau fühle, ohne es zu sein? Hier wird die Redefreiheit und die Meinungsfreiheit berührt. Sagen wir mal so: Wenn man einen Mann sieht, der Frauenkleider trägt und von mir verlangt, dass ich ihn als Frau anspreche, dann wird mein Recht verletzt, die Dinge so zu benennen, wie ich sie sehe. Wie es aussieht, scheint es für diese Ansicht eine Mehrheit im Parlament zu geben. Aber Mehrheiten können nicht über Tatsachen entscheiden. Ein Gesetz, dass es mir verbietet, einen Mann einen Mann zu nennen, wäre Unrecht. Sollte es kommen, dann begäbe sich Deutschland auf einen gefährlichen Weg. Zumindest ist es bis jetzt noch nicht so weit. Aus meiner Sicht bleibt Ganserer daher ein Mann. Aber auch objektiv ist er ein Mann. Dass er und das Parlament das anders sieht, hat von Storch nicht zu verantworten. Ganserer darf allerdings weiterhin geltend machen, dass seine Gefühle verletzt werden, wenn er als Mann bezeichnet wird. Darauf darf man Rücksicht nehmen. Allerdings sollte man sich über eins keine Illusionen machen: Gefühle sind ein Machtmittel im gesellschaftlichen Dauerkampf.

Christian Kümpel

Bild: Pixybay

Das Leben mit dem Buch verwechselt

Der Mensch, irgendwann ursprünglich und rein. Sein Leben ungetrübt und authentisch. Wann genau war das so? Darüber streiten sich die Philosophen. Jedenfalls war man also einst gleich, glücklich und gesund. Und weil ja die Moderne den Menschen aus dem Garten Eden vertrieben hätte, was liegt da näher, als sich in diese Zeit zurückzuversetzen?

Man könnte nun einwenden, dass es ja auch schon damals Ärger im Paradies gab. Doch es bleibt für einige dabei: Die gute Zeit ist entweder vorüber oder kommt erst noch. Für diejenigen, die eher das Schöne in der Vergangenheit verorten und mit ihr die Zukunft gestalten wollen, gibt es einiges im Angebot. Zum Beispiel die Anastasia-Buchreihe. Anastasia, das geistige Geschöpf des russischen Schriftstellers Wladimir Megre, ist eine Frau, die allein in der sibirischen Taiga lebt. Das Leben dort hat sie dabei keineswegs zum russischen Mütterchen verschrumpeln lassen. Im Gegenteil! Sie ist blendend schön und natürlich blond. Sie verfügt über Fähigkeiten, die manchem erstrebenswert erscheinen: Mit Eichhörnchen sprechen, Sachen teleportieren oder langatmige Verschwörungstheorien absondern.

Und die Blonde, über deren Schwestern es übrigens einige hervorragende Witze gibt, muss gegen einen bösen Oberpriester kämpfen, der das Gute und die Guten bedrängt. Mit im Gepäck des Übelmannes sind Demokratie und das ganze moderne Gedöns. Selbstverständlich ist das Ganze mit Antisemitismus aufgeladen. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Mensch in Verblendungszusammenhänge gerissen, aus denen er sich nicht mehr befreien kann, wenn er nicht auf Anastasia hört. Denn Durchblick hat nur die Dame aus der Taiga. So weit, so esoterisch, rassistisch und antimodern. Doch einige, die das gelesen haben, scheinen nun zu glauben, es handelt sich dem Unsinn um ein Sachbuch. Und sie sind fest überzeugt, dass sie, wenn sie so leben wie die Romanfigur, auch ihnen das Essen vom Dachs gebracht wird. So gibt es auch Dörfer in Deutschland, in denen Anastasia-Anhänger ihrem Idol nacheifern, zum Beispiel in Grabow im Bundesland Brandenburg. Was für Außenstehende aussieht wie schlechtes Mittelalter-Theater ist den Protagonisten allerdings bitterernst.

Glücklicherweise ist es so, dass die meisten Menschen noch den Unterschied zwischen Realität und Phantasie kennen. Doch Bücher können für einige in der Tat Programm werden. Carlos Castanedas Spinner-Werke waren ja auch schon für viele in den 70igern so etwas wie eine Gebrauchsanweisung zum richtigen Leben. Und so verschwinden auch heute in Deutschland Menschen in schlechten Büchern und tauchen daraus nicht mehr auf. Sollte man deswegen nun die Bücher verbieten? Natürlich nicht. Aber das hindert uns keinesfalls, uns daran zu erinnern, was Lichtenberg einst sagte: Bücher machen kluge Menschen klüger und dumme dümmer. Anastasia ist dafür ein gutes Beispiel.

Christian Kümpel

Club und Identität

Vergleicht man eine Gesellschaft wie die bundesrepublikanische mit einem Club, dann ergeben sich vielleicht neue Erkenntnisse. Wie funktioniert ein Club? In einem Club genießen die Mitglieder gewisse Privilegien. Sie wissen schon: Man kommt billiger an Kinokarten ran oder kriegt Krawatten mit einem schicken Logo. Außerdem gibt es eine Vereinsvergangenheit und Vereinsziele. Die verbinden. Doch was die Mitgliedschaft wirklich attraktiv macht: Sie ist exklusiv. Denn nicht jeder darf oder kann Mitglied werden. Auf Knappheit basiert deshalb unser Wunsch, Mitglied zu sein. Dass da draußen Leute sind, die nicht Mitglied werden können, macht die Mitgliedschaft also attraktiv.

Nun hat der Vorstand des Clubs beschlossen, dass Exklusivität nicht mehr so wichtig ist. Denn der Club ist leider überaltert. Man brauche neue Mitglieder, damit es weiter geht. Drum beschließt man: Mitglied darf jeder werden, der es durch den Eingang schafft. Das lassen sich die Leute vor dem Club nicht zweimal sagen. Denn auch sie wollen Kinokarten und schicke Krawatten. Sie strömen in Scharen in das Clubhaus und machen sich auf den schönen alten Sesseln breit.

Doch wie fühlen sich nun manche Alt-Mitglieder, denen die Distinguiertheit schmerzhaft fehlt? Sie verlieren die emotionale Bindung an den Verein, sie sind enttäuscht und manche verbittert. Dass der Vorstand nun auch ständig die Neuen bejubelt und die alten Mitglieder moralisch maßregelt, missfällt ebenfalls. Besonders zornig macht sie, dass emotionale, kulturelle und soziale Kosten der Veränderungen nicht diskutiert werden dürfen. Dafür hört man ständig einen tugendhaften Sound, von dem man ahnt, dass er bestimmten Zwecken dient. Unter anderem den, Fragen nach den Kosten für den Zusammenhalt nicht beantworten zu müssen. 

Über all die Probleme wird der Club am Ende immer mehr in Frage gestellt. Manche kündigen innerlich. Und die ersten fangen an, sich nach einem neuen Club umzusehen. Denn der Mensch als Gesellschaftstier braucht Zugehörigkeit. Diese Clubs sind allerdings kleiner als der große alte. Doch immerhin gelten in diesen kleineren Clubs wieder die alten Gesetze: Nicht jeder kann Clubmitglied werden, weil man nicht so ist, wie die vor der Tür. Wenn die Bundesrepublik tatsächlich wie ein Club sein sollte, dann kommen vermutlich interessante Zeiten auf uns zu.

Christian Kümpel

Ohne Empörung ist der Mensch nichts

Rassismus, Sexismus und andere Ismen, es wird bekanntermaßen immer schlimmer. Woran liegt es? Nicht unbedingt daran, dass es mehr davon gibt. Eher daran, dass die Sensoren auf ultraempfindlich gestellt worden sind. Beispiel gefällig. In den USA gibt es eine neue Bewegung. Man duscht dort weniger. Das spart Wasser und ist auch gut für die Haut. Weil aber nichts getan werden kann, ohne anderen zu signalisieren, was für ein guter Mensch man ist, machte die Hollywood-Prominenz ihre Wasserabstinenz umgehend bekannt. Doch nun droht die Rassismus-Falle. Denn das Nicht-Waschen ist ein weißes Privileg. Schwarze können es sich einfach nicht leisten zu stinken. https://www.mic.com/life/bragging-about-not-bathing-your-kids-is-a-blatant-act-of-white-privilege-82757199.

Natürlich ist es nicht erlaubt, jetzt laut zu lachen. Das machen wir lieber im Keller. Wenn wir uns dann wieder beruhigt haben, können wir uns ja mal fragen, wie unseren schwarzen, aber auch weißen Brüdern und Schwestern geholfen werden könnte. Mein Tipp: Man sollte die Psychologen fragen. Die haben festgestellt, dass Resilienz hilft. Resilient ist, wer es ohne Aufschrei durch den ach so rassistischen und sexistischen Alltag schafft. Ein gutes Beispiel für einen resilienten Menschen war übrigens Nelson Mandela, der nun weiß Gott Grund hatte, sich rassistisch bedrängt gefühlt zu haben. Doch hat er deswegen angefangen, sich zu beklagen? Nein! Er hat dem Gegner sogar die Hand ausgestreckt und ihn damit entwaffnet. Deshalb gilt er auch als sympathisch. Übrigens ist es ebenfalls eher abtörnend, damit anzugeben, dass man sich nicht wäscht. Auch wenn der Rassismus-Verdacht wieder mal sehr konstruiert erscheint. Doch zurück zu den konstruierten Mikroaggressionen, die man nur noch im Nano-Bereich messen kann.

Ja, ich weiß schon, wenn man nicht rumheulen oder mit abartigen Dingen nicht prahlen kann, dann ist man eigentlich fast kein Mensch mehr. Zumindest heutzutage. Sicher gäbe es auch Vorteile, mal was auszuhalten: Weicheier und Prahlhänse werden vielleicht gehört, aber nicht gemocht. Außerdem muss man immer empfindlicher werden, damit man überhaupt noch Rassismus bemerkt. Das geht ebenfalls auf die Psyche. Dennoch besteht keine Chance, dass wir uns zusammenreißen und aufhören, andere mit unseren peinlichen Empfindungen und Gedanken zu belästigen. Denn solange gilt „ich heule rum, also bin ich“ und solange diese Haltung von der Gesellschaft honoriert wird, solange wird sich die Empörungsmühle weiterdrehen. Das Phänomen kann man also zusammenfassen als erlerntes Empörungsyndrom. Durchaus ein Thema für Burrhus Frederic Skinner.

Christian Kümpel

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Minderheitenpower

Erstaunlich, wie oft Minderheiten Mehrheiten beeinflussen. Doch wie kommt das eigentlich, dass Minderheiten ihre Positionen durchsetzen können? Immerhin heißt es doch, die Mehrheit herrscht. Dass die Mehrheit entscheidet, ist offensichtlich nicht immer der Fall. So gab es zwar in Deutschland eine Mehrheit, die meint, dass Frauen Frauen und Männer Männer sind. Doch schon jetzt heißt es auch bei uns: Frauen sind nur ein soziales Konstrukt. Es gibt sie in Wirklichkeit nicht. Deshalb kann auch ein Mann eine Frau sein, wenn er das wünscht.

Doch wie läuft das konkret, dass Minderheiten sich mit ihren oft abwegigen Meinungen durchsetzen. Wie hat es zum Beispiel Hitler und seine Gang geschafft, den Leuten einzureden, es wäre das Beste, bestimmte Gruppen auszugrenzen und zu vernichten? Oder wie ist es Mao gelungen, die Leute glauben zu machen, man müsse alle Vögel töten, um eine bessere Ernte zu erreichen, worauf es eine Insektenplage gab?

Zunächst einmal braucht man eine Minderheit, die ihrer Sache ganz sicher ist. Dabei gilt: Je sicherer das Auftreten, umso eher drückt man seine Meinung durch. Dass das funktioniert, hat man in einem Farbexperiment in den 60igern herausgefunden. Versuchspersonen, die in Gruppen aufgeteilt wurden, hat man blaue Dias gezeigt. Wenn eine Minderheit dabei konsistent erklärte, dass das Dia grün sei, änderte ein Teil der Versuchspersonen aus der Mehrheitsgruppe seine Meinung. Man sieht also: Alles ist möglich, wenn man nur bei seiner Meinung bleibt. Dabei muss man aber auch schon mal eine Durststrecke in Kauf nehmen.

Richtig, es kann durchaus abtörnend sein, wenn man sich zu rigide auf den Standpunkt stellt, das Dia wäre grün. Besser man erklärt: Für uns ist das Dia grün. Wenn es für dich das Grün ins Blaue hineinspielt, dann kann ich damit leben, solange du erkennst: Das Dia ist im Wesentlichen grün. Pseudotoleranz kommt eben immer gut an. Und wenn man irgendwann die Macht und die Mehrheit hat, kann man ja immer noch nachlegen.  

Weiter macht sich die Minderheit zu Nutze, dass die Mehrheit konfliktscheu ist. Viele denken eben: Wenn euch so viel daran liegt, dass das Dia grün ist, dann sei es so. Immerhin wollen wir an so einer Lappalie die Gemeinsamkeit nicht scheitern lassen. Und dann gibt es ja auch Belohnungen. Wer sich zu den grünen Dias bekennt, wird vielleicht für besonders progressiv gehalten. Oder für besonders intelligent. Und so glauben sicher einige am Ende: Grün ist doch nur ein anderes Wort für blau.

Wenn man allerdings in größeren Dimensionen denkt, ist es dennoch unabdingbar, dass man die Schaltstellen der Macht erobert. Dies geschieht, indem man in den Kindergärten, Schulen und Unis seine Meinung verankert, und zwar peu à peu. Dann wird das Thema, das einen am Herzen liegt, sehr bald auch in der Wirtschaft, der Politik und der Werbung eine Rolle spielen, spätestens wenn die Kleinen groß geworden sind. Anders gesagt, wir reden hier von einem Generationenprojekt.

Fazit: Auch Minderheiten können also Mehrheiten beeinflussen, wenn sie Konsistenz zeigen und machtbewusst sind. Und so können Nazis, Kommunisten, Islamisten oder andere Extreme der Mehrheit ihren Stempel aufdrücken. Weil sie es zulässt. Allerdings muss die Minderheit dabei darauf achten, dass man mit einer Stimme spricht. Denn wenn die Minderheiten irgendwann in viele verschiedene kleinere Minderheiten zerbröseln, beginnt irgendwann das Spiel von vorne. Zum Beispiel dann, wenn auf einmal einige Frauen darauf beharren, dass Frauen Frauen und Männer Männer sind und es ihnen gelingt, einige von der Mehrheitsgruppe auf ihre Seite zu ziehen. Irgendwann in ferner Zukunft könnte dann dies jetzt noch Unvorstellbare tatsächlich geschehen.

Christian Kümpel

Bild: Pixybay

Der autoritäre Charakter

Ich gebe sofort zu, dass ich nicht gut bin beim Thema Ambiguitätstoleranz. Zum Beispiel bereitet mir Conchita Wurst Unbehagen. Eine Frau, die ein Bart trägt, aber eigentlich ein Mann ist, löst bei mir keine positiven oder neutralen Gefühle aus, eher Ablehnung. Ebenso finde ich es befremdlich, wenn hübsche junge Frauen furchtbar fluchen. Schließlich gefällt es mir nicht, wenn kleine Kinder so reden, als wären sie erwachsen.  

Damit gehöre ich wohl, wenn es nach der Sozialpsychologie geht, zu den Menschen, die Ambiguität nicht gut aushalten. Schlimmer noch. Nach Else Frenkel-Brunswik, die zu dem Thema geforscht hat, bin ich vermutlich in meiner Persönlichkeitsstruktur starr, unflexibel und zwanghaft. Zu solchen Menschen wurde nach dem Krieg geforscht, um die Gründe für den Aufstieg des Nationalsozialismus zu klären. Da kam dann einiges zu Tage. Das Ergebnis für mich: Vermutlich gehöre auch ich zu den autoritären Persönlichkeiten, die Adorno und andere für gefährlich hielten. Und tatsächlich weiß auch ich – im Gegensatz zu all den Selbstgerechten – nicht genau, wie ich 1933 gewählt hätte. Da bleibt immer ein nagender Zweifel, was meine überzeitliche negative Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus betrifft. Mit dem Makel der autoritären Persönlichkeit muss ich also leben.

Allerdings scheint es auch auf der linken Seite des politischen Spektrums nicht so weit her zu sein mit der Ambiguitätstoleranz. Einige können es kaum ertragen, dass der Philosoph Kant Dinge geschrieben hat, die nicht ganz so gut zu seinem Image als Aufklärer passen. Seiner Ansicht nach hätte das warme Klima den Afrikaner faul und weichlich gemacht. Sicher im Licht heutiger Erkenntnis eine eher abwegige Meinung. Aber reicht das schon, um Kant als Philosoph nicht mehr auszuhalten? Und was ist mit der Forderung, Straßennamen zu ändern, weil die Namensträger nicht immer politisch korrekt gehandelt haben? Zeugt das von einer offenen Persönlichkeit oder nicht vielmehr davon, dass man nur das Helle und das Dunkle kennt? Schließlich auch die Frage, welche Rückschlüsse es auf den Charakter zulässt, wenn man fordert, dass Welt-Literatur umgeschrieben werden muss, um den woken Ansprüchen zu genügen, weil darin das Wort N-Wort vorkommt. Und zwar in nicht-abwertender Absicht.

Man sieht also, dass die meisten es nicht so leicht haben mit der Ambiguitätstoleranz. Der autoritäre Charakter treibt überall sein Unwesen, sei es recht, links oder auch in der Mitte. Und vielleicht müssen wir lernen, auch das auszuhalten. Denn wie wäre es denn, wenn jedermann ein Ambiguitätstoleranter wäre, der alles problemlos schluckte? Wie könnte man das noch von Gleichgültigkeit unterscheiden? Wer alles aushält in einer Welt der kognitiven Dissonanzen, kommt sicher mit allem zurecht. Doch ist das erstrebenswert? Sollte man nicht auch mal sagen dürfen, dass man etwas nicht gut findet, auch wenn das nicht dem Zeitgeist entspricht? Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass man nicht zur Mimose wird und sich damit abfindet, nicht alles ändern zu können. Denn das wird man nicht. Und sonst kommt man in einer Welt, in der Conchita Wurst ein Sternchen ist, auch nicht über den Tag.

Die Identitären haben es auch nicht einfach

Die Identitären, das ist eine Bewegung auf der rechten Seite des politischen Spektrums, die sich ebenfalls sehr mit Identität beschäftigen. Sicher auch deshalb, weil sie wie andere glauben, der Schlüssel zur Welterklärung läge in dem, was Identität ausmacht. So wie ich es verstehe, betrachten sie die Welt als Ansammlung von ethnisch und kulturell geschlossenen Gruppen, die überzeitlich sind. Jeder in seinem Gehäuse mit seinen typischen Eigenschaften. Woher kommt ihre Idee? Im letzten Jahrhundert haben französische Ethnologen die Forderung aufgemacht, dass man kleinere Völker schützen müsse. Immerhin waren und sind diese Völker bedroht durch Krankheit, moderne Zivilisation und Migration. In der Folge bemüht man sich, bestimmte Stämme zum Beispiel im brasilianischen Urwald kontaktfrei zu halten. 

Der Trick besteht nun darin, auch die Franzosen oder Deutsche zu einem bedrohten Volk à la brasilienne zu machen, die ein Recht darauf hätten, unvermischt weiter zu existieren und ihre Eigenart zu pflegen. Einwanderung aus anderen Regionen wäre daher zu vermeiden. Allerdings stellen sich da dem Beobachter einige Fragen. Zunächst einmal kann man die Deutschen vermutlich kaum mit einem Stamm von 1000 Personen im Urwald vergleichen. Sie sind durch ihre schiere Größe eine Gemeinschaft, bei der die einzelnen Mitglieder kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen wären. Dann sind die Deutschen ja bereits immer schon ein multiethnisches Volk gewesen. Germanen, Kelten, Slawen sind die Ursprünge. Und da kam da in der letzten Zeit noch einiges hinzu. Das ist also ein ganz schöner Völker-Mischmasch. Schließlich sind die Deutschen, wenn man den Faktor Zeit ins Spiel bringt, immer im Werden gewesen. Sie sind daher auch ein offenes System, das auf Veränderungen ausgelegt ist, auch wenn die Veränderungen oft die Grenzen des Zumutbaren berührten.

Anders gesagt: Die Deutschen sind sicher vieles, aber kein Indianerstamm. Und dann muss es angesichts der Festlegungen auch ziemlich anstrengend sein, identitär zu sein. Das fängt schon bei der Frage an, was nun einen Deutschen ausmachen soll. Während man vielleicht vor 80 Jahren sagen konnte, dass der Deutsche herrisch und gewaltbereit war, erscheint er heute eher genderliquide und soft. Und vermutlich sind beide Aussagen sogar falsch, jedenfalls nicht auf Dauer gestellt. Bei den meisten Qualifikationen zum Thema, was ist deutsch, hört man eigentlich schon den Einspruch. Daher sollte man es vermutlich besser lassen, eine abschließende Definition zu suchen. Wenn man den Wind ergreift, greift man ins Leere.

Doch der Identitäre kann nicht anders. Er braucht ja ein geschlossenes Bild, um überhaupt zu wissen, was da geschützt werden soll. Und da wird es ganz schnell komisch. Ist die Kartoffel typisch deutsch, obwohl sie aus Amerika kommt? Und muss sie bewahrt werden? Ist der Deutsche immer hellhäutig und wenn ja, welche Hautstufe geht da noch als deutsch durch? Muss man, um als deutsch bezeichnet werden, pünktlich sein, oder verliert man seinen Status, wenn man sich häufig verspätet? Am Ende wird sich der Identitäre für ein Bild entscheiden, dass er mit Macht verteidigt, nicht ohne das Risiko sich lächerlich zu machen. Und das wird man als Verfechter des Essentialismus´ ja auch schnell in einer Welt, die sehr dynamisch ist. Und er braucht natürlich eine Gegenbild, um sich seiner selbst zu vergewisssern. Das wird dann ebenfalls essentialistisch eingerahmt.

Wir anderen sind jedoch gut beraten, uns nicht zu sehr festzulegen. Allerdings kann man auch nicht empfehlen, einfach zu behaupten, deutsch wäre alles, was der Fall ist. Dann endet man in einer Beliebigkeit, die an Schizophrenie grenzt, wo ja auch die einzelnen Teile keinen Bezug mehr zueinander haben und das Ganze zerfällt. Am besten ist es, man bleibt flexibel, legt sich nicht zu sehr fest und achtet darauf, dass man nun nicht alles zum typisch Deutschen erklärt, was da so hereingeweht wird. Da kann es schon mal erlaubt sein, deutschen Taliban mit vier Ehefrauen das Deutschsein abzusprechen. Anders gesagt: Wie meist ist es empfehlenswert den Mittelweg zu beschreiten. Da geht es sich am besten und man kommt am weitesten, auch wenn man für die begriffliche Unschärfe einen Preis bezahlen muss. Wie breit oder wie schmall der Mittelweg dann sein soll, muss dann politisch verhandelt werden.

Christian Kümpel

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Die Gruppe, du kannst ihr nicht entkommen

Der Vortrag war interessant. Es ging um Erkenntnisse der Sozialpsychologie. Ideen, die in anderen Gruppen entwickelt werden, können nur schwer übernommen werden, weil das Gruppendenken dies verhindert. Das nennt man Not-Invented-Here-Syndrom. Denn Ideen von anderen sind per se mies. Nur Ideen aus der eigenen Gruppe sind was wert. Wenn man aber den freien Fluss von guten Ideen durch Gruppendenken behindert, sollte man die Gruppen nicht am besten aufbrechen. Zum Beispiel mithilfe der Diversität.

Auch sonst erscheint Diversität als das Allheilmittel für die Leiden dieser Welt. Oder zumindest für die Probleme der Wirtschaft. Betriebe mit hohem Frauenanteil seien viel profitabler, weil da eben Frauen und Männer interagieren. Mag sein. Allerdings gibt es einen kleinen Haken. Denn, wie die Deutsche Welle schreibt, die Neuen wollen manchmal ihre Sitten und Gebräuche durchsetzen. Da gibt es dann Reibungen.

Aber vermutlich nicht lange. Denn sonst funktioniert die Gruppe ja auch nicht. Die vermeintliche Diversität, die propagiert wird, verwandelt sich sehr schnell. Wenn man ein Unternehmen wie Google nimmt, sitzen da in den Gruppen keine Armen, Kranken, Geistesschwachen oder gar Nazis. Da sitzen Menschen, die vielleicht unterschiedliche Hautfarben haben, sich aber von ihrem geistigen, ökomischen oder sozialen Hintergrund her sehr ähnlich sind oder sehr ähnlich werden. Und die vor allem klug und gut ausgebildet sind. Und diese Form Homogenität hindert sie überhaupt nicht daran, gute Ideen zu entwickeln, im Gegenteil. Dies allerdings in Konkurrenz zu anderen Gruppen, was ja auch beflügelnd sein kann.

Überhaupt, was die sogenannte Diversitätspolitik nicht leisten kann: Sie kann nicht verhindern, dass sich Menschen in Gruppen organisieren, die immer nach dem Schema der In- und Outgroups funktionieren. Und in den Ingroups findet man schnell das Gemeinsame. Sonst wäre es ja auch keine Gruppe. Und das ist dann die Ironie der Geschichte: Gruppendenken bekämpfen hieße, eine neue heterogene Gruppe zu bilden, in der die Gruppenmitglieder bald über saliente Eigenschaften Gruppenzugehörigkeitsgefühl herstellten und damit wieder homogen werden. Das könnte dann auch der Grund sein, warum Gruppen, die sich für divers halten auf den Beobachter gar nicht so besonders divers wirken. Vermutlich weil sie es auch gar nicht sind.

Christian Kümpel

Bild: Pixaybay

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