Wirklichkeiten erster und zweiter Ordnung

Paul Watzlawick meinte, dass es zwei Wirklichkeiten gebe, in meinen Worten eine Wirklichkeit erster Ordnung und eine Wirklichkeit zweiter Ordung. Die wirkliche Wirklichkeit erster Ordnung gehorcht naturwissenschaftlichen Gesetzen. Ein Beispiel aus der Biologie: Säugetiere verfügen über Gameten (Keimzellen). Je nachdem, ob es eine weibliche oder männliche Gamete ist, die produziert wird, handelt es sich um ein Weibchen oder ein Männchen, das es produziert. Natürlich könnte es sein, dass man irgendwann eine dritte Gametensorte findet. Dann hätte man in der Tat das dritte Geschlecht gefunden. Bis jetzt sucht man jedoch vergebens. Weil nun Menschen Säugetiere sind, gilt das Prinzip auch für uns bis auf Weiteres.

Von dieser wirklichen Wirklichkeit abgeschieden ist die gemachte Wirklichkeit zweiter Ordnung. So wird in dieser gemachten Wirklichkeit behauptet, es gäbe viele Geschlechter. Welchem Geschlecht man angehört, das hängt weniger von naturwissenschaftlichen, mehr von der gemachten Wirklichkeit ab. Das ist ein weites Feld. Auf dem Feld findet man auch den Pansexuellen. Pansexuelle werden laut Wikipedia von allem erregt, sei es weiblich, männlich oder etwas anderes. Das mag so sein. Allerdings wäre ein Pansexuelle immer noch entweder ein Mann oder eine Frau. Dass sich Pansexuelle oder Transsexuelle allerdings nicht als Männer oder Frauen sehen, ist ihre gemachte Wirklichkeit. Dass sie diese so konstruieren, wie sie sie konstruieren, dafür gibt es Gründe. Allerdings keine naturwissenschaftlichen.

Allerdings, dass Menschen die wirkliche Wirklichkeit leugnen, um in einer gemachten Wirklichkeit zu leben, ist ein höchst menschliches Verhalten. Es gibt dafür verschiedene Worte: Wahn, wenn man es nicht besser weiß, Lüge, wenn man ahnt, dass es nicht stimmt. Oft ist es aber einfach der gesellschaftliche Konsens. Der wird zur Wirklichkeit zweiter Ordnung, wenn genug Leute in ihm leben, ohne ihn in Frage zu stellen. So wäre ein Pansexueller vor 100 Jahren wohl noch als krank eingestuft worden. Heute sind viele tatsächlich überzeugt, dass Pansexuelle einem anderen dritten, vierten oder fünften Geschlecht angehören.

Gesellschaften und einzelne Mitglieder dieser konstruieren schon immer Wirklichkeiten zweiter Ordnung, die manchmal jede Verbindung zu der Wirklichkeit erster Ordnung verloren haben. Und wie jeder Wahn oder jede Wirklichkeit zweiter Ordnung, schaffen sie Mechanismen, um sich vor der Wirklichkeit erster Ordnung zu schützen, zum Beispiel indem man moralisiert. Wer das nicht glaubt, der soll einmal in einer Universität vor Studenten der FU erklären, dass es nur zwei Geschlechter gebe. Er wird schnell erkennen, dass der Wahn auch kluge Menschen befallen kann und aggressiv macht im Sinne von moralischer Empörung, wenn der Wahn als solcher benannt wird. Und er wird erkennen, was Ernst Jünger einmal angesichts eines fanatisierten Nazis meinte: Verrückten zu widersprechen ist sinnlos und bringt einen nur unnötig in Gefahr. Manchmal muss man dann eben darauf vertrauen, dass der Wahn niemals ewig dauern kann, weil er irgendwann von einem anderen Wahn abgelöst werden wird. Das passiert spätestens dann, wenn der die Kosten des Wahns oder der Wirklichkeit zweiter Ordnung zu groß werden.

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Woke-Kritik von Links: PMC – “Professional-managerial Class”

Hör-Empfehlung für den linken Podcast “Aufhebunga Bunga”, deren britische Autoren das im Frühjahr auch auf Deutsch erscheinende Buch “The End of The End of History” geschrieben haben.

Hier mal ein Beispiel:
George Hoare und Alex Hochuli vom Bunga-Cast führten ein Gespräch mit Trauma-Expertin Catherine Liu über ihre letzten Bücher.
https://youtu.be/befHbT_caS8

Es ging dabei letztendlich um die schon von Andreas Reckwitz beschriebene “Neue Akademische Mittelklasse”.
Doch während Reckwitz dabei eher wohlwollend deskriptiv ist, gehen diese beiden  Linksradikalen Podcast-Akademiker (u.a. Autoren für “jacobin”) und ihre nicht weniger linke Gesprächspartnerin  äußerst kritisch mit der woken  “Professional-managerial Class” ins Gericht. Unter anderem wegen deren moralischen Überheblichkeit und wegen ihres Klassenantagonismus zur sog. “working class” …

Wir wracken alles ab

Wenn die Familie als Institution dich stört, dann solltest Du den Familienbegriff solange aufweichen, bis nichts mehr übrigbleibt, zum Beispiel mit einer Verantwortungsgemeinschaft als Alternative. Falls dich die Gesellschaft als Ganzes bedrückt, dann solltest Du diese solange moralisch in Frage stellen, bis jeder glaubt: Diese Gesellschaft ist ungerecht, rassistisch und sexistisch. Damit fängt man am besten im Kindergarten an. Und solltest du der Meinung sein, dass die Menschen in einem Land übel sind, dann erkläre sie zum Problem. Vielleicht kann man sie durch Einwanderer erstetzen. Dabei geht es natürlich nicht darum, was tatsächlich ist. Es geht darum, das Alte aufzulösen, damit man es abwracken, um für etwas Neues, Besseres Platz zu machen.

Tatsächlich gehört es seit allen Zeiten das Delegitimieren zur Technik derjenigen, die das Alte verabschieden und das Neue herbeiführen wollten. So haben ja die bürgerlichen Kräfte durchaus die Adligen Vorstellungen subversiv unterwandert, indem sie in Literatur und Theater die adlige Welt problematisierten. Erinnert sei auch an die Delegitimierungsstrategien der Nazis in der Weimarer Republik. Und was ist mit den Kommunisten und ihren Einflüsterern?

Allerdings müssen die Menschen auch irgendwie dazu gebracht werden, zu glauben, ihre alte Welt sei von grundsätzlichem Übel. und das, was kommt, wäre viel besser. Normalerweise sollte man da skeptisch sein. Aber die einen tun am Ende mit, weil sie tatsächlich denken, sie lebten in einer unerträglichen Welt. Die anderen helfen beim Abwracken, weil sie Mitläufer sind. Sie spüren zum Beispiel, dass es weniger soziale Kosten verursacht, zu gendern, auch wenn sie nicht unbedingt Fans sind. Damit legitimieren sie wiederum diese vollkommen absurde Form sich auszudrücken und delegitimieren normales Deutsch. Die meisten kümmern sich nicht drum, bis es zu spät ist, bis sie gendern müssen und die Ehe aufgehört hat, zu existieren. Immerhin hat nicht jeder Zeit und Lust, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Günstig für die Abwracker.

Vergessen wir nicht, dass der Vater der Identitätspolitik, Michel Foucault, das Wort subversiv sozusagen subversiv verwandelt hat. Es bekam nun den positiven Klang des Revolutionären. Und so untergräbt man auch mit seinem Segen munter alles, was man so vorfindet. Wohin uns das alles führen wird? Jedenfalls weit weg von dem, was war. Und ich habe keinen Zweifel, dass irgendwann auch das, was nun entsteht, in der Kritik stehen wird. Denn das ist ja der Kern unserer modernen und postmodernen Gesellschaften: Wir delegitimieren das Alte, weil das Neue so viel besser zu sein verspricht. Allerdings hat es seine Versprechungen bis jetzt nicht immer gehalten. Im Gegenteil. Das vergessen wir bloß leider immer wieder. Warum nur?

Christian Kümpel

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Und wenn wir alle Opfer wären?

Die Gesellschaft kann, wenn man nur will, als Ansammlung von Opfergruppen aufgefasst werden. Schwarze, Frauen, Behinderte… die Gruppen sind ohne Zahl. Doch sind wirklich alle Opfer? Wir kennen den Einwand. So wären reiche, schwarze Frauen eher keine Opfer. Aber vielleicht ist das falsch gedacht. Warum sollen nicht auch erfolgreiche Menschen Opfer sein? Immerhin hat sich vielleicht schon jemand hinter ihrem Rücken über die Dame lustig gemacht, über ihre Hautfarbe und ihren schlechten Geschmack in Kleidungsfragen. Die Frage wäre also geklärt. Opfer kann in der Tat jeder sein.

Wenn aber jedermann Opfer sein kann, dann allerdings auch der berüchtigte alte, weiße Mann. Und er ist schon deshalb Opfer, weil er ja ständig als Täter stigmatisiert wird. So wie in alten US Kriegsfilmen immer der Deutsche der Böse war, so ist eben heute immer der alte, weiße Mann der Dauer-Übeltäter. Und dass die Darstellung der Deutschen in Kriegsfilmen aus den 60iger Jahren diskriminierend war, ist wohl evident. Schlimm, wie dumm sich 1000 Wehrmachtssoldaten anstellten, wenn zwei GIs erst mal in Fahrt kamen. Da hatten sie keine Chance, selbst wenn sie über Panzer verfügten und die US-amerikanische Soldaten nur über ein Kartoffelmesser, bestenfalls. Den deutschen Soldaten so darzustellen, das war natürlich lächerlich. Ich fand´s eigentlich trotzdem nicht schlimm. Aber das waren ja auch andere Zeiten. Da war man nicht so empfindlich. Und heute?

Heute müssen wir neu denken, und zwar im Lichte der Identitätspolitik! Und das heißt konkret: Wenn sich der alte, weiße Mann als Opfer fühlt, dann ist eins. Und zwar ein so großes wie die anderen auch. Oder gibt es etwas irgendwelche Opferherarchien? Insofern können wir uns einreihen, bei den andern Opfer-Gruppen. Und dürfen dabei auch ein wenig stolz sein. Denn es ist etwas besonders ein Opfer zu sein.

Christian Kümpel

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TransGender: Die neue Identitätspolitik der FDP

Ich bin ein wenig entsetzt darüber, dass die FDP sich so von der QUEER-FDP treiben lässt. Dass Themen vor denen all diese großartigen libertären britischen Podcasts (Andrew Doyle, Brendan O’Neill Show, TRIGGERnometry usw.) aktuell hoch und runter warnen:

  • totalitärer TransGender-Aktivismus mit
  • Shitstorms für Feministinnen, die verneinen man könne das biologische Geschlecht ändern und
  • Transphobie-Vorwürfe für Lesben, die sich weigern TransFrauen zu daten,
  • mit unfruchtbar machenden Pubertätsblockern für Genderdysphoria-Kinder auch gegen den Willen der Eltern,
  • mit Geldbuße (bis 2500 Euro) bei Nichtverwendung der bevorzugten Geschlechts-Pronomen von Transmenschen usw. …

Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, dass all dies jetzt auch in Deutschland kommen wird. Ausgerechnet auf den Weg gebracht aufgrund einer FDP-GESETZESINITIATIVE.

Wo bleibt die FDP, die sich während der grossen identitätspolitischen Debatten vor der Bundestagswahl für die Freiheit stark gemacht hat. Wo bleibt Kubicki?

Der FAZ-Autor Thomas Thiel setzte sich schon im Januar diesen Jahres mit dem Transgender-Gesetzesentwurf von FDP und GRUENEN auseinander, der damals scheiterte, aber jetzt mit der Ampel-Koalition kommen wird:

Nach den deutschen Gesctzesentwürfen soll ein Kind mit voIlendetem vierzehnten Lebensjahr, also noch vor dem Ende der Pubertät und des körperlichen Reifungsprozesses, selbst – ohne ärztliche Beratung und elterliche Einwilligung über den hormonellen Geschlechtswechsel entscheiden.

Die Gesetzesentwürfe von Grünen und FDP kommen dem nah: Sie sehen Sanktionen bis 2500 Euro vor, wenn das frühere Geschlecht einer Person genannt wird – auch dann, wenn es nicht in diskreditierender Absicht geschieht.<<

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/abschaffung-des-koerperlichen-geschlechts-darum-wird-geschwiegen-17169758.html

USA: Pro Life strikes back!

German Version in the second Part. The late Supreme Court judge Ruth Bader Ginsburg – a progressive icon – once correctly pointed out that the pro-choice movement made the mistake of always relying on one Supreme Court judgment (Roe vs. Wade) and not having secured this on the legislative level by law. This is taking revenge now: After the appointment of three judges during Trump’s tenure, there will be a clear conservative majority for many years to come. As a reminder, Supreme Court judges are appointed lifelong. The pro-life movement in the US is therefore on the verge of a great victory. Of course, this will also have an impact on Europe.

Die verstorbene Supreme Court Richterin Ruth Bader Ginsburg – eine progressive Ikone – hat einmal vollkommen richtig darauf hingewiesen, daß die pro-choice-Bewegung den Fehler gemacht habe, sich immer nur auf ein Supreme-Court-Gerichtsurteil (Roe vs. Wade) zu verlassen und dieses nicht auf der legislativen Ebene also per Gesetz abgesichert zu haben. Das rächt sich jetzt, wo es nach der Ernennung von drei Richtern in der Amtszeit von Trump für viele Jahre eine deutliche konservative Mehrheit geben wird. Zur Erinnerung: Supreme Court Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Die pro-life-Bewegung in den USA steht daher kurz vor einem großartigen Sieg. Das wird natürlich auch Auswirkungen auf Europa haben.

Ich bin Opfer, also bin ich

Was haben einige Farbige und Donald Trump gemeinsam? Sie sind Opfer. Ständig jammern sie herum, wie schlecht sie behandelt werden. Und sie sind nicht die einzigen. Da gibt es noch die Transsexuellen, die Homosexuellen, die Harz-4-Empfänger und die AfD-Anhänger. Und was ist mit den Geimpften? Sind sie nicht auch Opfer? Irgendwie sind wir also alle viktimisiert. Und was folgt daraus? Sicher zweierlei. Wenn alle Opfer sind, dann muss man sich schon ein bisschen mehr anstrengen, wenn man als Opfer noch wahrgenommen werden will. Da helfen extreme Ansichten und Maßnahmen. Deshalb wohl die Dauerhysterie und die Identitätspolitik von links und rechts. Und dann muss man natürlich den anderen den Opferstatus absprechen. Das bekommen nun auch die Feministen zu spüren. Das es jedenfalls eine klare Opfer-Wertehierarchie gibt, dachte wohl auch Tschechow, der meinte: Vergiss nicht, dass es besser ist, Opfer zu sein als Henker. So kann man aber eigentlich nur reden, wenn man nicht wirklich geköpft wird.

Man könnte nun darüber spekulieren, warum es so attraktiv geworden ist, Opfer zu sein. Ich persönlich vermute, das fing mit Jesus an. Großes Opfer, große Belohnung. So sitzt er nun zur rechten Gottes. Aber auch in nicht-christlichen Kulturkreisen geriert man sich gerne als Victim. Die Gründe dafür sind vielfältig: Ein Opfer zu sein, das schafft Identität im Sinne von Einmaligkeit. Ich leide also bin ich. Dann bekommt man auch noch Aufmerksamkeit. Das ist die eigentliche Währung in einer Gesellschaft der Aufmerksamkeitsökonomie. Schließlich erhält man auf subtile Art und Weise Macht über andere, wirkt grundsätzlich unschuldig und gelangt auch zu moralischer Überlegenheit, die einem der Opferstatus zukommen lässt. Man wird Opfer und Richter in einem. Unsere postheroische Gesellschaft scheint das Opfersein so geradezu zu befördern. Vielleicht auch, weil man doch vom Tätervolk herkommt, das überwunden werden muss. Aber vielleicht ist es einfach auch nur eine zwangsläufige Entwicklung der Spätkultur. Vom kulturlosen Rüpel zum rüpelhaften Sensibelchen.

Erstaunlich wie anders da noch vor zwei, drei Generationen unsere Vorfahren waren. Ich denke da nur an Arnold Gehlen oder Ernst Jünger. Das waren gepanzerte Persönlichkeiten, die bis ins Mark das Kühle und Distanzierte pflegten. Sie personifizierten die Verhaltenslehre der Kälte. Man hätte sich verbeten, Opfer zu sein. Ob extreme Härte gegen sich selbst immer gut ist? Vermutlich nicht. Doch wie das immer so ist: Man überwindet das eine nicht ohne das Kosten anfallen. Man hat sicher das Männliche, Harte und Unbarmherzige hinter sich gelassen. Doch vor uns steht nun der Jammerlappen als Schwundstufe der Kultur, der zwischen Wut und Selbstmitleid hin und her schwingt und sich als Daueropfer geriert, der seinen Safe Space braucht. Die Identitätspolitik ist dabei nur die passende Ideologie für einen neuen Typus Mensch: der Pseudologe. Gehört ihm die Zukunft? Mit Sicherheit nicht. Die Sehnsucht nach dem Männlichen wird vermutlich wieder stärker. Und dann wird der Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen. Wann es soweit sein wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber irgendwann wird man der vielen Opfer überdrüssig. Und dann könnte es bitter werden.

Christian Kümpel

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Fortschrittstaat: Jeder gegen Jeden

Ich habe eigentlich gar keine Lust mehr Teil dieses Fortschritts-Staates zu sein. Ich will mich um meine Familie und meine Gemeinschaften kümmern und warte hier in der Wagenburg bis die Fortschrittlichen sich via Kritische Theorie & Identitätspolitik selbst zerfleischt haben: WirtschaftsLIBERALE vs GRUENE JUGEND & JUSOS, Wagenknecht vs. LINKE, Thierse vs. SPD, Kubicki vs. QUEER-FDP, AntiDeutsche vs. BDS & Postkolonialisten, Extinction Rebellion vs. FFF, FFF vs. GRUENE, metoo-Frauen vs. alte linke Männer, Diversity-PoCs vs. privilegierte weisse Frauen, LGB & TERF vs. Trans-Aktivisten …

Wer bezahlt, der bestimmt?

Rainer Hank, liberaler Autor der FAS, weist in seiner Kolumne Hanks Welt vom Sonntag darauf hin, dass die Studenten, die Professorin Kathleen Stock weggemobbt haben, weil diese darauf bestand, dass es nur zwei Geschlechter gibt, auch über ihre Marktmacht Einfluss auf die Unis nehmen. Bildung in Großbritannien ist teuer. Wenn man 10.000 Pfund pro Jahr bezahlt, dann möchte man, so die Ansicht einige Studenten, damit auch das Recht erkaufen, von unliebsamen Ideen verschont zu werden. Welche das sind, bestimmt die Identitätspolitik. Solche wäre dann auch die biologische Tatsache, dass es nur zwei Geschlechter gibt.

Ich selbst bin durchaus ein Verfechter der freien Marktwirtschaft. Ich bin aber auch ein Fan von Luhmann. In der Marktwirtschaft gilt: kaufen und verkaufen. In der Wissenschaft gilt: wahr oder nicht wahr. Die beiden Systeme sollte man schön trennen. Anders gesagt: Wenn man sich devote Meinungen kaufen will, dann ist die Uni der falsche Ort. Der richtige Ort dafür sind PR-Agenturen. Das Biotop Uni wird dagegen hoffnungslos kontaminiert, wenn dort andere Erwägungen als wahr oder falsch eine prominente Rolle spielen. Eine gewisse Verschmutzung lässt sich sicher nie vermeiden. Allerdings kommt eben irgendwann der Punkt, da kippt der Teich um. Dann schwimmen nur noch tote Fische an der Oberfläche. Die Unis sind jedenfalls auf dem besten Wege dahin, abzusterben, wenn sie sich als Dienstleister einer Generation versteht, die dem Identitätswahn verfallen ist und ihre Marktmacht entsprechend ausspielt.

Christian Kümpel

Foto: Kü

Was ist der nächste Hype?

Jede Gesellschaft braucht eine Erzählung. Am besten aber gleich ein paar. Ganz so, wie ja auch jeder Mensch eine Kleidung trägt, die zu ihm und den Umständen passt. Wenn man zum Beispiel in den Kuhstall geht, dann sind Gummistiefel und dreckige Jeans angemessen. Ein Smoking passte eher nicht ins Bild. Unsere Gesellschaft – wäre sie denn ein Mensch – hat einige Kleider anprobiert. Die hängen da immer noch. Da war die Fortschrittserzählung der ewigen Demokratisierung und Emanzipation. Das war der letzte Chic in den 70igern. Dann ging es auch um das sogenannte Lernen aus der Vergangenheit, um Hitler und das Dritte Reich produktiv machen. Das scheint schon fast eine zeitlose Mode in Deutschland zu sein. Ebenfalls beliebt: Befriedung der Gesellschaft durch Konsum. Das Stück sieht heute eher altbacken aus. Die neuste Mode lautet jedoch: Höherwertigkeit durch Verzicht. Das ist sozusagen teurer italienischer Stoff. Und dann ist da natürlich die Identitätspolitik. Steht der postmodernen Gesellschaft ausgezeichnet. Die Gesellschaft ist dabei aus Opfern und Tätern gestrickt, wobei es kurioserweise erstrebenswert wäre, sich immer mit den Opfern zu identifizieren. Darüber hätte ein Nietzsche noch gelacht. Ihm war immer schon klar, dass die Opfer immer auch Herren sein wollen und einfache Wahrheiten abgründig sind. Allerdings geht die Zeit auch über diese Erscheinung bald hinweg. Dann sind wir in der postpostmodernen Phase. Denn Mode kennt kein Anfang und kein Ende, sondern nur ein ewiges Drehen um sich selbst.

Wenn nun aber, wie bei der Mode, Erzählungen wechseln, dann wird es sicher auch bald ein neues Narrativ geben, um die postpostmoderne Zeit einzuläuten. Und man sieht tatsächlich: Es sieht es so aus, als ob viele dieses Opfergedöns langsam nicht mehr hören können oder wollen. Seien wir ehrlich: Es ist auch anstrengend, immer alles mit der Brille der Identitätspolitik zu sehen. Immerhin erkennt man durch sie nichts, was nicht schon in der Brille selbst begründet wäre. So wie eben dem Kommunisten alles Klassenkampf ist, ist dem Identitätskämpfer alles Identitätskrampf. Öde! Und das Männer, die sich Frauenkleider anziehen und sich damit überall zeigen, nicht mehr belächelt, sondern gefürchtet werden, hat auch keine Zukunft. Das hört auf, sobald der akademische Mittelbau sich sichere Posten verschafft hat.

Ich weiß natürlich nicht, was der nächste Crazy Shit sein wird. Ich vermute aber, die nächste Phase wird geprägt sein, von einer Art Erwachen. Moral bekommt dann wieder den richtigen Platz im Kleiderschrank zugewiesen. Der ist nicht prominent, wie das jetzt der Fall ist. Denn auch diese Mode des ständigen Zeigens der eigenen moralischen Höherwertigkeit, ist irgendwann out. Bald findet man ihn nur noch in Second-Hand-Läden. Dort wird verramscht, was gestern noch als up-to-date galt. Mein persönlicher Favorit für die nächste Saison ist in der Tat: Sarkasmus. Sarkasmus und kühle Töne kleiden auch sehr gut. Wenn man es auch mit anderen Farben statt dem ewigen schwarz-weiß kombiniert, dann könnte das sogar dem breiten Publikum gefallen.

Christian Kümpel


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